Weinreben blühen so früh wie noch nie

Bernkastel-Kues · Durch die Klimaerwärmung ist der Blütetermin der Reben in den vergangenen Jahren zeitlich immer weiter nach vorne gerückt. Doch das Jahr 2011 schlägt alle bisherigen Rekorde.

 Der Kröver Winzer Martin Hermes zeigt ein blühendes Träubchen. TV-Foto: Winfried Simon

Der Kröver Winzer Martin Hermes zeigt ein blühendes Träubchen. TV-Foto: Winfried Simon

Winzer Theo Haart aus Piesport führt Jahr für Jahr exakte Aufzeichnungen. In seinem Weinberg in der Spitzenlage Piesporter Goldtröpfchen unweit seines Hauses beobachtet er regelmäßig die Wachstumsentwicklung der Reben und macht sich Notizen.

In diesem Jahr schrieb er am 20. Mai: blühende Reben. Bislang hielt das Jahr 2007 den Rekord. Vor vier Jahren beobachtete Haart am 22. Mai die unscheinbaren Blütenstände an den Reben. "Je früher desto besser", sagt Haart.

Noch viele Ungewissheiten

Eine frühe Blüte bedeutet, dass die Reben länger Zeit haben, um zu reifen. Eine wichtige Voraussetzung für einen Top-Jahrgang ist gegeben, doch es gibt noch viele Ungewissheiten. Ein kühler und verregneter Sommer kann den derzeitigen dreiwöchigen Vegetationsvorsprung der Reben aber wieder zunichtemachen.

Wird der Sommer hingegen sehr heiß und trocken, wird das Wachstum gehemmt, die Trauben bleiben klein und können weniger Zucker einlagern.
Haart wünscht sich nun einen kräftigen Landregen. Der würde vor allem den neu gepflanzten Reben, deren Wurzeln noch nicht so weit in die Erde reichen, guttun.

Die erste Halbzeit ist gespielt

"Ich bin zurückhaltend euphorisch", sagt Roman Niewodniczanski, Inhaber des Weingutes van Volxem in Wiltingen/Saar, und bemüht einen Vergleich aus der Fußballersprache: "Die erste Halbzeit ist gespielt, die Mannschaft ist sehr gut aufgestellt, das Spiel kann weitergehen."

Auch er spricht von der frühesten Rebblüte aller Zeiten. Vor allem freut er sich über den sehr guten Gesundheitszustand der Reben. Niewodniczanski: "Die Weinberge sehen traumhaft aus, Rebkrankheiten gibt es so gut wie keine." Trockenschäden hat er noch nicht festgestellt. Die tief wurzelnde Rebe ist bekannt dafür, dass sie mit relativ wenig Wasser auskommt.

Regen und kühle Temperaturen im Vorjahr

Jetzt kommt es darauf an, dass die Rebblüte "gut durchgeht", wie die Winzer sagen. Im Vorjahr hatten Regen und kühle Temperaturen den Verlauf der Blüte erheblich beeinträchtigt und vielfach zu "Verrieselung" geführt. Das heißt, einzelne Blüten wurden nicht befruchtet und dann abgeworfen. Dadurch wurde der Ertrag im Herbst erheblich gemindert. An der Mosel gab es 2010 die kleinste Erntemenge seit vier Jahrzehnten.

Bei allem Optimismus wissen die Winzer, dass extreme Wetterereignisse jederzeit eine Ernte verringern oder gar völlig vernichten können. Weil die zarten Rebtriebe aufgrund der außergewöhnlich warmen Witterung bereits Anfang Mai über zehn Zentimeter lang waren, konnte eine einzige frostige Nacht große Schäden anrichten (der TV berichtete).

Mit einem blauen Auge davongekommen

Die meisten Moselwinzer kamen mit einem blauen Auge davon, in Rheinhessen und der Pfalz gab es hingegen auf mehreren Tausend Hektar enorme Schäden. Die Gefahr von Frost besteht jetzt nicht mehr, dafür fängt nun die Zeit der Unwetter an. Das letzte schlimme Ereignis an der Mosel war vor drei Jahren. Am 29. Mai 2008 hatte Hagel über 200 Hektar Reben an der Untermosel bei Cochem schwer geschädigt.
An Mosel, Saar und Ruwer wachsen auf rund 8600 Hektar Reben, davon rund 60 Prozent die Rebsorte Riesling. Es ist Deutschlands fünftgrößtes Weinanbaugebiet.

Extra: Geschein

Die Blüten der Rebe sehen recht unscheinbar aus. Der Blütenstand, auch das "Geschein" genannt, ist botanisch gesehen eine Rispe - ein verzweigtes Stielgerüst mit kleinen Ästchen, an deren Enden jeweils eine einzelne Blüte sitzt. Jede dieser Blüten bildet nach erfolgreicher Befruchtung eine Beere. Praktischerweise kann sich die Rebe selbst befruchten und ist bei der Vermehrung nicht auf fremde Hilfe aus der Tierwelt angewiesen. sim

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