Aufholjagd im Rückwärtsgang: Parteien kämpfen um Nachwuchs

Berlin · Beide großen Volksparteien verlieren Mitglieder. Aber: Die CDU hat etwas größere Nachwuchsprobleme als die SPD und könnte ihre Pole-Position deswegen bald wieder verlieren.

Berlin. Die Meldung kommt kurz vor dem wichtigen Parteitag am Wochenende in Leipzig nicht gelegen: Die CDU hat in diesem Jahr rund 10 000 Mitglieder verloren und zählte zum Stichtag 30. September nur noch 495 192. Die wichtige Marke von einer halben Million wurde schon im Mai nach unten durchstoßen. Noch schlimmer: Die CDU wird, wenn es so weitergeht, noch 2011 ihre Pole-Position, die sie erst 2008 von den Sozialdemokraten erobert hatte, wieder abgeben müssen.
Die SPD hatte Ende September nur noch 571 Mitglieder weniger als die CDU-Konkurrenz. Zum Jahreswechsel hatte der Abstand noch 3252 betragen. Die SPD leidet also unter etwas weniger Schwindsucht. Allerdings ist bei den Zahlen für die Christdemokraten die bayerische CSU (154 000 Parteigänger) nicht mitgerechnet.
Gleichwohl: Der Trend ist überall gleich: Er geht nach unten. Die SPD ist seit ihrem Höhepunkt Mitte der 1970er Jahre halbiert, die Union im Vergleich zum besten Jahr 1983 um rund ein Drittel geschrumpft. Dabei sind nicht Austritte die wichtigste Ursache, also auch nicht etwaige Unzufriedenheiten mit dem aktuellen Kurs. Sondern die Überalterung. Alle Volksparteien kennzeichnet, dass die Zahl der Todesfälle sowie die Zahl der Abmeldungen wegen Pflegebedürftigkeit regelmäßig die der Neueintritte übertrifft. In der SPD wird deshalb eine weitgehende Parteireform vorbereitet, die auch Nichtmitgliedern die Möglichkeit zur aktiven Mitarbeit erlauben soll. Das Konzept steht im Dezember auf dem SPD-Parteitag zur Abstimmung.
Bei der Union versucht man es mit verstärkter Werbung. So erscheint zum Leipziger Parteitag eine Broschüre, die das "C" im Parteinamen neu erklären soll. Schon länger gibt es die Online-Beteiligung an Debatten, allerdings nur für Mitglieder. Sie konnten auch jetzt zu den Parteitagsanträgen eigene Beiträge verfassen; per Internet-Voting wurde bestimmt, welche Texte dem Parteivorstand zur Beratung vorgelegt wurden. Allerdings brachten nur 135 Christdemokraten ihre Forderungen auf diese Weise vor. Für Nichtmitglieder sieht die CDU einstweilen nicht mehr Mitwirkungsmöglichkeiten vor.
Sorgenfreie Piraten


Und die kleineren Parteien? Die Grünen erlebten nach der Atomkatastrophe von Fukushima einen regelrechten Boom, der sie im September auf das Allzeithoch von 58 561 zahlenden Parteigängern brachte. Inzwischen flaut der Zulauf jedoch ab, wie Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke auf Anfrage mitteilte. Die FDP hatte ihre beste Zeit kurz nach der Bundestagswahl 2009 mit dem Rekordwert von 72 116 Mitgliedern. Seitdem geht es bergab; vor dem Parteitag am Wochenende vermelden die Liberalen nur noch 64 165 Leute mit Mitgliedsbuch. Ein großes Überalterungsproblem hat auch die Linke. Sie sank von 250 000 Mitgliedern im Jahr nach der Wende auf 73 658 Ende 2010. Keinerlei Nachwuchssorgen haben hingegen die Piraten. Die erst 2006 gegründete Partei kommt derzeit auf 17 436 Mitglieder und hat einen Altersdurchschnitt von knapp 30 Jahren. Allerdings sind nur 11 756 Mitglieder stimmberechtigt - die anderen haben ihren Beitrag nicht bezahlt.

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