Bauern müssen sich nicht ins Portemonnaie schauen lassen

Luxemburg/Trier · Ab sofort gehört der gläserne Bauer wieder der Vergangenheit an: Der Europäische Gerichtshof hat die namentliche Veröffentlichung der Empfänger von EU-Agrarbeihilfen gekippt. Das Landwirtschaftsministerium reagierte prompt.

Wer wissen wollte, was Bauer Müller aus dem Eifelort nebenan im vergangenen Jahr an EU-Subventionen kassiert hat, der musste nur auf die Internetseite www.agrar-fischerei-zahlungen.de gehen, den Namen des Landwirts angeben und am besten auch noch den Ort, und schon hatte er das gewünschte Ergebnis auf dem Schirm. Auch die Summe der jährlichen Agrarbeihilfen, die in einzelne Ortschaften flossen, konnten auf der Internetseite bis gestern aufgerufen werden. So erfuhr man beispielsweise, dass es im Eifel dorf Lissendorf im vergangenen Jahr zwölf Empfänger gab, an die insgesamt 133 558,80 Euro Subventionen ausgezahlt wurden. Rund 67 000 Euro betrug der höchste Betrag, der überwiesen wurde, 113,86 Euro der kleinste.

Seit gestern hat das Vorwitzen ein Ende. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ließ die Abfragemöglichkeit am frühen Mittag unter Verweis auf ein zuvor ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kurzerhand sperren. Die Veröffentlichung werde bis zu einer Neuregelung der Vorschriften ausgesetzt, steht seitdem auf der Internetseite.

Der in Luxemburg ansässige EuGH hatte entschieden, dass die Veröffentlichung der Daten ein Eingriff in die Rechte der Betroffenen sei. Dies könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werde und die Veröffentlichung nicht "über das absolut Notwendige" hinausgehe. Die aktuelle Verordnung aber überschreite den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Dass das CSU-geführte Ministerium derart rasch reagierte und die Abfragemöglichkeit umgehend sperrte, kam nicht überraschend. Denn besonders die bayerische Staatsregierung hatte sich im vergangenen Jahr bis zuletzt gegen die Veröffentlichungspflicht gewehrt und erst nachgegeben, als Brüssel massive Strafen androhte. Da kam die jetzige Klatsche aus Luxemburg wie gerufen. Dabei hat der Europäische Gerichtshof nicht einmal entschieden, dass künftig überhaupt keine Agrarsubventionsdaten mehr veröffentlicht werden dürfen. Die Publikation der Beihilfen an landwirtschaftliche Unternehmen beanstandeten die EU-Richter nämlich nicht. Aber auch sie sind im Internet seit Dienstag nicht mehr abrufbar. Ob sich daran wieder etwas ändert, stand gestern noch nicht fest.

Die Fördertöpfe für die Landwirtschaft sind mit rund 56 Milliarden Euro der größte Posten im EU-Haushalt. Die deutschen Bauern bekommen mehr als sechs Milliarden Euro. 2008 flossen insgesamt 226 Millionen Euro Agrarsubventionen nach Rheinland-Pfalz. reaktionen Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau: Ich begrüße das Urteil. Wir waren immer gegen die Richtlinie. Wir haben nichts zu verbergen und nichts gegen Kontrollen zuständiger Behörden. Aber dass jede Privatperson sich die Zahlen anschauen kann, verstößt gegen den Datenschutz. Hendrik Hering, SPD, Mainzer Landwirtschaftsminister: Mit dem Urteil wird den Bedenken vieler Landwirte Rechnung getragen. Ansonsten müssen die Konsequenzen aus dem Urteil genau geprüft werden, sobald es uns schriftlich vorliegt. Ulrike Höfken, grüne Landwirtschaftsexpertin: Die Transparenz hat keine Neiddebatte ausgelöst, sie ist eine positive Voraussetzung für die Diskussion um die Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik und Verwendung der öffentlichen Gelder. Wir fordern die EU-Kommission auf, jetzt Vorschläge zu machen, wie der Datenschutz gewährleistet werden kann. Insgesamt muss jedoch die notwendige Öffentlichkeit über die Subventionszahlungen, insbesondere auch an Konzerne, weiter bestehen bleiben. Peter Bleser, CDU-Agrarexperte: Das Urteil ist ein Sieg für die Persönlichkeitsrechte der Landwirte. Damit ist die Forderung, Agrarsubventionen zu veröffentlichen, endgültig gescheitert. Mit dem Ziel, diese notwendigen Hilfen für die Bauern umzulenken oder abzuschaffen, wurde Neid und Missgunst in die Dörfer getragen. Julia Klöckner, CDU, Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium: Ich begrüße das Urteil. Beim Datenschutz dürfen Landwirte nicht das Nachsehen haben. Es ist nicht einzusehen, dass die Landwirtschaft stigmatisiert wird, aber Zahlungen an andere Branchen nicht veröffentlicht werden. Christa Klaß, CDU-Europaabgeordnete: Ich bin froh, dass diese unnötigen Veröffentlichungen vom Tisch sind. Keiner bekommt "umsonst" Geld aus Europas Kassen. Mit der reinen Veröffentlichung der Zahlen wird nur die Neiddiskussion gepflegt. (sey)

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