Eurobeträge, Schrägstriche und falsche Zahlen

Bei der Ermittlung der neuen Hartz-IV-Regelsätze finden sich im entsprechenden Gesetzentwurf ein paar peinliche Schlampereien - für die Opposition ein weiterer Beleg, dass die Regierung das Existenzminimum der Bedürftigen künstlich herunter gerechnet haben könnte. Dabei hatte das Bundesarbeitsministerium maximale Transparenz und Nachvollziehbarkeit versprochen.

Berlin. Auf dem Bürotisch von Elke Ferner stapelten sich gestern die Akten und Zettel mit Zahlenkolonnen. Akribisch hatte die SPD-Sozialexpertin den aktuellen Referentenentwurf zur Ermittlung des neuen Regelbedarfs durchgeackert und immer wieder den Taschenrechner bemüht. Die Ergebnisse machten sie gleich an mehreren Stellen stutzig. Auf Seite 29 zum Beispiel sind die einzelnen "regelbedarfsrelevanten Verbrauchsangaben" für Telefon, Fax und Internet mit einer "Summe" von 39,96 aufgelistet. Auf Seite 30 wird aber nur ein "Gesamtbetrag" von 31,96 Euro genannt. Rechnet man alle regelbedarfsrelevanten Endsummen in den Tabellen zusammen, ergeben sich 369,81 Euro - knapp sechs Euro mehr als der offiziell ermittelte Regelsatz. Addiert man hingegen sämtliche Teilsummen der jeweiligen Tabellen auf, dann sind es nach Ferners Rechnung nur 357,74 Euro. Also gut sechs Euro weniger.

Die Differenz ergibt sich aus einer weiteren Merkwürdigkeit im Gesetzentwurf. An zahlreichen Stellen sind statt konkreter Euro- und Cent-Beträge nur Schrägstriche eingefügt. So fehlen zum Beispiel auf Seite 55 des Entwurfs die Teilbeträge für den "Kauf von Fahrrädern" bis zu den "Verkehrsdienstleistungen" komplett. Nur am Ende steht eine "Summe" von 14 Euro. "Was das mit Transparenz zu tun hat, ist mir schleierhaft", schimpft Ferner.

Alles Unsinn, konterte das Arbeitsministerium. Bei einer der Teilsummen sei es nur zu einem bedauerlichen "Übertragungsfehler" gekommen. Auf den berechneten Regelsatz von 364 Euro habe dies aber keinen Einfluss gehabt. Die Zahlen im Gesetzestext selbst seien nämlich "durchgehend korrekt".

Auch bei den mit Schrägstrichen gekennzeichneten Leerstellen sehen die Ministerialen kein Problem. Nach den Vorgaben des Statistischen Bundesamtes würden die entsprechenden Zahlen deshalb nicht veröffentlicht, weil ihnen nur die Angaben von höchstens 25 Privathaushalten zugrunde lägen.

In der Rechnung des Ministeriums sind sie gleichwohl enthalten, was bei der SPD einen weiteren Verdacht bestärkt: "Das deutet darauf hin, dass die zur Ermittlung des Regelsatzes herangezogene Vergleichsgruppe im unteren Einkommensbereich generell zu klein und damit nicht aussagekräftig ist", meinte Ferner.

Ungereimtheiten und Fehler in Gesetzentwürfen sind freilich keine schwarz-gelbe Erfindung. Vor sechs Jahren zum Beispiel mussten Rentner und Arbeitslose um ihre Versorgung mit Zahnersatz bangen, weil der damaligen rot-grünen Bundesregierung eine Panne im Kleingedruckten der Gesundheitsreform unterlaufen war. Und 2008 hatten sich SPD und Grüne in Hessen mit einem Versehen beim Kopieren von Gesetzespassagen über die Abschaffung der Studiengebühren blamiert.

Doch zurück zum aktuellen Fall: Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der Sozialdemokraten im Bundestag, Thomas Oppermann, stand gestern bereits fest, dass die Berechnung "so viele gravierende Mängel" aufweise, "dass am Ende ein höherer Regelsatz zu erwarten ist". Wie hoch, das lassen die Genossen allerdings offen. Schließlich sind die von der SPD regierten Bundesländer und Kommunen mit im Boot, wenn es um die entsprechenden Mehrkosten für ihre Sozialhilfeempfänger geht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort