Harter Kampf um Akteneinsicht

MAINZ. Fordern wissbegierige Bürger Einsicht in Behördenakten, stoßen sie schnell an Grenzen, denn noch immer gilt das preußische Amtsgeheimnis. Während andere Bundesländer den Blick unter den Aktendeckel gesetzlich verbrieft haben, zeigt das Mainzer Innenministerium keine Eile und wartet auf den Bund. Doch der geht halbherzig zu Werke.

Sonderbare Entscheidungen, umstrittene Bauvorhaben oder nicht nachvollziehbare Planungen: Es gibt viele Gründe, sich mit einer Einsicht in Verwaltungsunterlagen auf die Suche nach mehr Durchblick zu machen. Das Recht auf Akteneinsicht sei nicht nur ein Beteiligungsrecht, sondern verbessere auch den Schutz vor Behördenwillkür und Korruption, sagen Experten wie Hansjörg Elshorst von Transperency International, einer weltweiten unabhängigen Organisation zur Verhinderung von Korruption. Statt grundsätzlicher Geheimhaltung müsse der Grundsatz der "Offenheit" gelten. Was Länder wie Schleswig-Holstein, Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen seit Jahren ihren Bürgern erlauben, ist für die Mainzer SPD/FDP-Koalition kein drängendes Problem, verbreitet möglicherweise sogar eher Unbehagen. Doch die Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass keineswegs ein Ansturm Wissensdurstiger die Ämter lahm legt oder eine Kostenlawine auslöst. Rund 2000 Bürger hatten in den ersten beiden Jahren in Schleswig-Holstein Akteneinsicht beantragt und in neun von zehn Fällen auch erhalten, meist innerhalb einer Woche. Ein Grünen-Entwurf für ein so genanntes Informationsfreiheits-Gesetz wurde 2002 im Mainzer Landtag abgelehnt. "Wir warten auf den Bund", heißt es immer noch im Innenministerium, wo das Thema auf die lange Bank geschoben wird. Erst wenn Berlin ein Gesetz beschlossen hat, soll nachgezogen werden, um möglichst einheitliche Vorgaben zu erreichen, wie erklärt wird. Bei Rot-Grün im Bund steht das Gesetz zwar seit Jahren auf der Agenda, hat sich jedoch angesichts des starken Widerstands von Innenminister Otto Schily (SPD) zu einer Hängepartie entwickelt. Sein erster Entwurf vom Juli 2001 entpuppte sich als Informationsverhinderungsgesetz und stieß auf vehemente Kritik, weil er mehr Ausnahmen von der Auskunftspflicht benannte, als Informationsrechte einzuräumen. Inzwischen ist seine Vorlage aus dem Rennen. Doch auch ein zweiter, von den Koalitionsfraktionen eingebrachter Entwurf, ist nach Auffassung von Thomas Leif, Vorsitzender des Journalisten-Netzwerks Recherche, das seit Jahren für mehr Informationsrechte streitet, durch Einwände von Schily, Kanzleramt und Wirtschaft "verwässert". In einer Anhörung des Innenausschusses bemängelten auch Verwaltungsrechtler zu viele und zu weit gefasste Ausnahmen. Doch eine erheblich abgespeckte Version sei trotz allem noch besser als gar kein Gesetz, meint Leif. In wenigen Tagen werden sich die rot-grünen Koalitionäre erneut mit dem Schily-Ministerium zusammensetzen, um zu schauen, wann es endlich etwas wird mit dem Informationsfreiheits-Gesetz. "Wir müssen Kurs halten, dann bringen wir Glaubwürdigkeit in die Verwaltung", so der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann. Er rechnet damit, dass das Gesetz zum Jahresende gilt. In Mainz wartet man derweil in aller Ruhe ab. Dass im Land mehr Transparenz und Akteneinsicht zugelassen werden könnte als im Bund, steht nicht zur Debatte.

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