Morgens zur Arbeit, abends in den Knast

SAARBURG. Gefangen und trotzdem frei – Häftlinge im offenen Vollzug. Einerseits ist es schwierig, trotz der Freiheiten alle Regeln einzuhalten, andererseits ist es eine gute Chance zur schnellen Resozialisierung, wie ein Blick in das Saarburger Gefängnis zeigt.

Im Garten ein Goldfischteich, eine Grillstelle, ein Volleyball-Netz und ein überdimensionales Schachspiel. Im Sommer wird draußen gegrillt, es gibt Limo und Cola. Jugendherbergs-Idylle in Saarburg. Doch im denkmalgeschützten Sandstein-Haus am Rande der Innenstadt übernachten keine Jugendlichen oder Familien. Es ist ein Knast. Kein gewöhnlicher. Bei der Außenstelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Trier handelt es sich um das kleinste Gefängnis im Land. Die Insassen, die dorthin kommen, sind keine "schweren Jungs", die meisten sitzen wegen Trunkenheit am Steuer, Diebstahls, Fahrens ohne Führerschein oder weil sie den Unterhalt nicht zahlen wollen. Drei bis fünf Monate bleiben sie da. Wer nach Saarburg kommt, ist zwar gefangen, hat aber mehr Freiheiten als die "Kollegen" im Trierer Knast. Die 32 Häftlinge in der ehemaligen Kreisstadt sind Freigänger, sie sind im offenen Vollzug. Das heißt, sie gehen jeden Morgen zur Arbeit, müssen abends wieder in ihren Zellen sein. Alle zwei Wochen dürfen sie ein paar Tage nach Hause, bis zu acht Tage Urlaub im Monat haben sie. 365 Häftlinge, Männer und Frauen, im offenen Vollzug gibt es derzeit in Rheinland-Pfalz. Von der Lage und der Atmosphäre dürften es die 32 in Saarburg am schönsten haben. "Hier ist es doch fast wie im Internat", freut sich JVA-Chefin Elena Deliargyris und zeigt stolz auf den schmucken Bau, der Anfang des Jahres 1900 als Gerichtsgefängnis gebaut wurde. Nicht nur von außen, auch von innen erinnert wenig an ein Gefängnis: Bilder an den Wänden, 28 Einzelzellen - allenfalls die nachts zugesperrten Stahltüren zu den "Zimmern" vermitteln Knast-Atmosphäre. Doch die angebliche Idylle ist auch trügerisch. "Man darf nicht vergessen, hier sitzen Strafgefangene. Bei allen Freiheiten gegenüber dem geschlossenen Vollzug, müssen die Insassen hier auch Regeln einhalten", erklärt Rainer Wallrich, Abteilungs-Dienstleiter der Außenstelle in Saarburg. Und das falle vielen, die bislang weggesperrt gewesen seien und die letzten Monate ihrer Haft nach Saarburg kämen, schwer, sagt Deliargyris. "In den Gefängnissen in Trier oder Wittlich ist der Tag für die Insassen von morgens bis abends geregelt, sie brauchen sich um nichts zu kümmern. Wenn sie hierher kommen, glauben sie dann, sie hätten absolute Freiheit." Einige würden vergessen, dass sie noch im Knast seien, würden sich durch jede Kontrolle gleich gegängelt fühlen. "Eigentlich ist es hier schlimmer als in Trier. Sie müssen ihren Tag, ihr Leben selbst organisieren", sagt die JVA-Chefin. Sie kann nachvollziehen, dass es die Freigänger vor allem nach Wochenenden zu Hause oder an Feiertagen wie Weihnachten besonders schwer haben, sich von ihren Familien zu lösen. Neuerdings sind im Saarburger Gefängnis keine Handys mehr erlaubt. Einige Häftlinge hätten verbotenerweise Foto-Handys reingeschmuggelt und damit andere fotografiert. Weil es oft schwierig ist, diese Geräte von anderen zu unterscheiden, gibt es seit kurzem ein generelles Handyverbot. Wer telefonieren will, muss sich eine Telefonkarte kaufen und kann dann von der Telefonzelle aus telefonieren. "Massenbestrafung", nennt das ein ehemaliger Saarburger Insasse, der ungenannt bleiben möchte. Er kritisiert die seiner Ansicht nach zu strengen Regeln. Auch der Hofgang sei zeitlich genau festgelegt. "Ohne Regeln geht es aber nicht", sagt Deliargyris. So werden bei jedem Häftling, der von der Arbeit oder aus dem Wochenende kommt, die Taschen kontrolliert. Auch mit Alkoholkontrollen oder Urintests, um Drogen nachzuweisen, müssen sie rechnen. Genauso sind auch Videorecorder oder DVD-Geräte verboten. "Pornos haben bei uns nichts verloren", erklärt Wallrich die Maßnahme. Wer mehrmals auffällt, muss in den geschlossenen Vollzug

Kürzlich hatte ein Gefangener einen Fernseher mit eingebautem DVD-Spieler von Zuhause mitgebracht. Der Mann musste seinen Fernseher abgeben. Wer mehrmals auffällt, muss in den geschlossenen Vollzug. Was viele auch als Gängelung empfinden: Das Geld, das sie in ihren Jobs außerhalb des Gefängnisses verdienen, kommt nicht auf das (falls vorhanden) eigene Konto, es wird von der JVA eingeteilt und verwaltet. "Viele müssen Schulden abbezahlen oder den Unterhalt für ihre Kinder zahlen. Wir achten drauf, dass das Geld richtig verwendet wird", sagt Wallrich. Wer in Saarburg sitzt, muss arbeiten gehen. Entweder in seinem alten Job, falls er den nicht verloren hat, oder je nach Eignung in einem von der JVA vermittelten oder im Gefängnis. Jobs gibt es in der Küche oder in der Wäscherei. Auch der Gartenteich wurde von einem JVA-Mitarbeiter zusammen mit Häftlingen angelegt. Wer mehrmals bei Firmen rausfliegt, muss wieder in den geschlossen Vollzug. "Das ist nun Mal die Bedingung: Wir wollen die Männer hier wieder an ihre soziale Verantwortung, an ein Leben ohne Alkohol, Drogen oder Straftaten heranführen", erklärt Peter Schnippering, JVA-Abteilungsleiter für die Außenstelle Saarburg. Und bei den meisten funktioniert es. Viele werden nach der Knast-Zeit von den Arbeitgebern, bei denen sie als Häftlinge gearbeitet haben, eingestellt. Doch es wird für Wallrich immer schwieriger, Arbeitgeber zu überzeugen, "Knastis" einzustellen. Vor allem in den Wintermonaten gibt es wenige Jobs für die Saarburger Insassen. Derzeit sind alle untergebracht. Einer arbeitet auf einem Fahrgastschiff, einer ist Kranfahrer, ein weiterer arbeitet im Straßenbau. Ein Häftling konnte sein Unternehmen weiterführen, und einer studiert sogar. Arbeit als Resozialisation. "Wer nach dem Knast einen Job hat, der wird sicherlich nicht mehr so schnell straffällig", sagt Wallrich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort