Mit seiner Kuba-Reise schreibt Barack Obama Geschichte

Miami · Neue Annäherung zwischen Kuba und den USA: Nach dem Ende der Eiszeit gehen die früheren Erzfeinde demonstrativ aufeinander zu. Am Sonntag steht der nächste Höhepunkt an: die historische Reise Obamas nach Kuba.

Miami. Albert Einstein habe die Ausgangslage doch wunderbar treffend beschrieben, sagt Ramon Pereira und wiederholt einen Satz des Jahrhundertgenies. "Die Definition des Wahnsinns ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." Nur gut, dass es mit Barack Obama einen US-Präsidenten gebe, der sich Einsteins Mahnung endlich zu Herzen nehme. Kuba zu isolieren, das habe 57 Jahre lang nichts gebracht.
Kontroverse Debatten


Höchste Zeit also, das Ruder herumzureißen und den Kurs zu ändern, sagt Pereira und nippt an einer winzigen Kaffeetasse. Die Castros, Fidel und Raúl, schiebt der nachdenklich wirkende Tanzlehrer hinterher, seien doch schon so gut wie tot. Der Blick müsse nach vorn gehen, und wenn Obama nach Kuba fliege, tue er genau das Richtige.
1970 hat Pereira, damals noch ein Teenager, die Insel Kuba verlassen. Die Familie emigrierte nach Spanien, von dort ging es nach Washington, seit zwei Jahrzehnten lebt er in Miami, der Hauptstadt der kubanischen Diaspora. Ein paar Tage vor Obamas historischer Staatsreise steht er im Schatten einer ausladenden Markise vorm Versailles, einem Restaurant, dessen Freilufttheke so etwas wie Miamis Antwort auf Speaker's Corner im Londoner Hyde Park ist. Vorm Versailles wird gestritten, werden aus dem Stegreif kleine Reden gehalten, und manchmal wird es sehr laut, wenn Hardliner und Reformer ihre Argumente austauschen.
"Ich weiß, die Castros sind Diktatoren. Aber sie sind nun mal da", mischt sich Fernando Gonzalez ein, 76 Jahre alt, doch keiner, der dem Klischee vom verbitterten, rachsüchtigen alten Mann in der Fremde entspricht. Auf Kuba werde demnächst etwas geschehen, orakelt er ein wenig kryptisch, da dürfe Amerika nicht abseits stehen. Armando Gutierrez, 81, lässt solche Nuancen nicht gelten. Obamas Besuch, schimpft er, sei ein Akt der Missachtung gegenüber der kubanischen Exilgemeinde. "Damit erweist er einer Regierung die Ehre, die seit Jahrzehnten an der Macht ist, ohne sich je einer freien Wahl gestellt zu haben." Mit grimmigem Stolz zeigt der drahtige Rentner auf einen vergoldeten Siegelring an seiner Rechten. Den bekam er, weil er als Bomberpilot an der Invasion in der Schweinebucht teilnahm. John F. Kennedy habe sie damals im Stich gelassen, als er kalte Füße bekam und sein Militär nicht direkt eingreifen ließ, wettert Gutierrez. Nun übe auch Obama schnöden Verrat, indem er in Havanna über den roten Teppich laufe. Es sind nicht mehr viele, die es so kompromisslos schwarz-weiß sehen wie Gutierrez.
Historischer Besuch


Zum ersten Mal seit 88 Jahren reist ein amtierender US-Präsident nach Kuba, seit Calvin Coolidge dort eine Rede hielt, im Januar 1928 auf einer panamerikanischen Konferenz. Zwar haben einige Senatoren Protest angemeldet, darunter drei kubanischstämmige, die Republikaner Ted Cruz und Marco Rubio sowie der Demokrat Bob Menendez. Doch insgesamt hält sich die Aufregung in Grenzen. Auch in Washington scheint es, von rhetorischen Pflichtübungen einmal abgesehen, eine stille Mehrheit für den pragmatischen Ansatz der Administration zu geben. Ein 1960 verhängtes Handelsembargo ist zwar nach wie vor in Kraft; nur der Kongress (mit seiner derzeit konservativen Mehrheit) kann es aufheben, nicht das Kabinett. Doch mit der anstehenden Normalisierung des Flugverkehrs wird die Insel als Reiseziel noch populärer, als sie es ohnehin schon ist bei Amerikanern, die das alte, sozialistische Kuba mit seinen museumsreifen Straßenkreuzern und einer Art Zeitkapsel-Gefühl besichtigen wollen, bevor es womöglich verschwindet. Ben Rhodes wiederum, einer von Obamas jungen Beratern, spricht in einem Interview mit dem Magazin The Atlantic von der Neigung der US-Politik, sich zur Gefangenen ihrer eigenen Geschichte zu machen. Sicher, man habe eine überaus komplizierte Vergangenheit mit Kuba, "aber das allein kann kein Grund sein, um an etwas festzuhalten, was nicht funktioniert".

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