Ruckzuck-Prozess mit angezogener Bremse

TRIER. Eine wegen mehrfachen Diebstahls von Kondolenzkarten verdächtigte Trierer Seniorin kommt nun doch nicht ganz so schnell vor Gericht wie gedacht. Der Prozess vor dem Amtsgericht ist auf den 20. April terminiert, obwohl die Anklage seit anderthalb Wochen fertig ist. "Das ist wahnsinnig schnell", sagt Amtsgerichtsdirektorin Jutta Terner.

Da hatte Triers Leitender Oberstaatsanwalt Horst Roos den Mund wohl etwas zu voll genommen. "Schnellstmöglich", sagte der Chefankläger vor zwei Wochen unserer Zeitung, wolle er eine wiederholt wegen Diebstahls aufgefallene 71-jährige Frau vor Gericht bringen. Roos' Forderung: Die Strafe müsse in diesem Fall auf dem Fuße folgen. Im Hinterkopf hatte Roos dabei eine Verhandlung bereits in dieser Woche. Doch so schnell schießen die Preußen auch nicht. Bis 20. April muss sich der Trierer Chefankläger schon noch gedulden. Hintergrund ist eine seit Ende Januar andauernde Serie ungewöhnlicher Diebstähle: Die betagte Dame wird verdächtigt, mehrfach auf Friedhöfen entlang der Mosel Trauerkarten samt Bargeld gestohlen zu haben, während sich der Beerdigungszug von der Leichenhalle zum Grab bewegte. Zuletzt wurde die 71-Jährige dabei in Nittel (Kreis Trier-Saarburg) von einer aufmerksamen Bestatterin ertappt. Erst kurze Zeit zuvor hatte die Polizei bei der Trierer Seniorin eine Hausdurchsuchung gemacht und dabei jede Menge Kondolenzkarten von verschiedenen Beerdigungen gefunden. Abschreckende Wirkung hatte die Polizeiaktion offenbar nicht. So platzte denn auch Triers Chef-Staatsanwalt Horst Roos nach dem letzten Vorfall in Nittel der Kragen. "Diese Frau lässt sich offenbar durch nichts beeindrucken", schimpfte der Ankläger und kündigte ein so genanntes beschleunigtes Verfahren an. Dessen Ziel ist es, mutmaßliche Täter möglichst rasch vor Gericht zu bringen und zu bestrafen. Voraussetzung: Sachverhalt und Beweislage müssen klar sein, und der Angeklagte darf maximal zu einem Jahr Gefängnis verurteilt werden. Zum Einsatz kommt das beschleunigte Verfahren häufig nach Ausschreitungen während Fußballspielen oder Demonstrationen. Aber auch bei besonders dreisten und wiederholten Diebstählen macht die Justiz gerne mal vom "Ruck-Zuck-Verfahren" Gebrauch - im Fall der 71-jährigen Triererin allerdings mit leicht angezogener Handbremse. Denn der Verhandlungstermin gegen die Seniorin ist erst am 20. April, fast auf den Tag genau fünf Wochen, nachdem die Trierer Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Frau erhoben hat. An der Ermittlungsbehörde liegt es also nicht, dass die (mögliche) Strafe in diesem Fall nicht unmittelbar auf dem Fuße folgt. Dass der zuständige Richter womöglich nicht rasch genug terminiert habe, weist Amtsgerichts-Direktorin Jutta Terner zurück: "Da sind zehn Zeugen, die geladen werden müssen und ein Pflichtverteidiger, der Akteneinsicht will." Angesichts dessen sei die Terminierung des Prozesses gegen die 71-Jährige sogar "wahnsinnig schnell" gegangen, sagt Terner. "Damit sind wir zufrieden", meint denn auch Triers Leitender Oberstaatsanwalt Horst Roos.

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