Ungewollt zurück ins Rampenlicht

Trier · Was macht eigentlich der ehemalige CDU-Landeschef Christoph Böhr? Seit Böhr der Politik den Rücken gekehrt hat, sieht man den Trierer kaum noch in der Öffentlichkeit. Das wird sich ab Anfang September ändern, wenn in Mainz der Untreueprozess gegen den 59-Jährigen und drei seiner einstigen Mitstreiter beginnt.

Trier. Ein Vierteljahrhundert hat der gebürtige Mayener Christoph Böhr führende Positionen in der CDU innegehabt, war Chef der Jungen Union, dann Landes- und Fraktionsvorsitzender seiner Partei und einige Jahre lang sogar stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender. Nach der verlorenen Landtagswahl 2006 gab er zunächst alle Parteiämter ab; im Februar 2009 legte er schließlich auch noch sein Landtagsmandat nieder. Seitdem ist es ruhig geworden um den einst omnipräsenten Politiker, ist der 59-Jährige in der Öffentlichkeit kaum noch zu sehen, auch nicht auf Parteiveranstaltungen.
Was sollte Böhr auch dort? Die neue rheinland-pfälzische CDU-Parteispitze hat sich längst von ihrem alten Vordermann distanziert, viele ehemalige politische Weggefährten haben den Kontakt abgebrochen.
Aber auch Böhr selbst scheint den alten Zeiten nicht nachzutrauern und das Leben abseits von Kameras, Scheinwerfern und Mikrofonen zu genießen. "Ich habe so viele Jahre Futter für die Berichterstattung geliefert. Gönnen Sie mir bitte eine kleine Pause", beschied er vergangenes Jahr eine Interview-Anfrage unserer Zeitung.
Doch der Rummel um seine Person wird in wenigen Wochen wieder zunehmen, ob es dem jetzt gelegentlich an einer Theologischen Hochschule in Österreich unterrichtenden Böhr passt oder nicht. Vor dem Mainzer Landgericht beginnt am Dienstag, 3. September, der Untreueprozess gegen den ehemaligen CDU-Spitzenpolitiker. Neben Böhr sind der ehemalige Geschäftsführer der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag, Markus Hebgen, Ex-CDU-Generalsekretär Claudius Schlumberger und Hamburgs Ex-Finanzsena-tor Carsten Frigge angeklagt.
Es geht um den Vorwurf illegaler Parteienfinanzierung im Landtagswahlkampf 2006. Fraktionsgeld in sechsstelliger Höhe soll für den Wahlkampf der CDU verwendet worden sein. Die Fraktion soll Honorare von fast 400 000 Euro übernommen, die Agentur Frigges dafür Fantasieleistungen quittiert haben. In Wirklichkeit, so die Ankläger, wurde mit dem Geld die Ausarbeitung und Umsetzung eines Wahlkampf-Konzeptes unter dem Titel "Wahlsieg 2006" finanziert.
Böhr war damals Vorsitzender der Fraktion und der Partei, hätte das Geld also, wenn die Vorwürfe zutreffen, von der einen in die andere Tasche verschoben. Eine illegale Spende, so urteilten jedenfalls der Landesrechnungshof und die Parteiaufsicht beim Deutschen Bundestag - weshalb die rheinland-pfälzische CDU 1,2 Millionen Euro Strafe zahlen musste. Ein Schaden, den die Staatsanwaltschaft nun auch Böhr und seinen Mit-Angeklagten anlastet. Vorerst sind vom Landgericht 19 Verhandlungstage bis zum 3. Dezember geplant.
Böhr ist sich nach eigenen Angaben keiner Schuld bewusst. "Ich habe mir das Hirn zermartert. Aber mir ist nichts bekannt, wo ich Fehler gemacht hätte", sagte er vor drei Jahren, nachdem sein Haus in Trier kurz zuvor von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden war. Öffentlich hat sich Böhr seitdem nicht mehr zu den Vorwürfen geäußert, lässt lieber seinen Verteidiger Thomas Hermes sprechen.
Der Rechtsanwalt gehört zur renommierten Essener Kanzlei Holthoff-Pförtner, die schon Altkanzler Helmut Kohl in der Spendenaffäre verteidigte oder den Eifeler CDU-Landtagsabgeordneten Michael Billen. Auch der einstige Böhr-Intimus Billen muss sich demnächst erneut vor Gericht verantworten. Das Landgericht Frankenthal hat die Neuauflage des Geheimnisverratsprozesses inzwischen auf Mitte Dezember terminiert.Extra

Untreue gehört zu den komplizierteren Tatbeständen im Strafrecht. Nach Paragraf 266 des Strafgesetzbuches macht sich strafbar, wer seine Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens verletzt oder seine Befugnis, darüber zu verfügen, missbraucht. Die Höchststrafe beträgt fünf, in besonders schweren Fällen zehn Jahre Haft. Bei strikter Anwendung wäre der Untreue-Tatbestand auf viele kostspielige Entscheidungen anwendbar, wenn diese sich hinterher als falsch erweisen. dpa

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