Viele Träume, wenig Räume

TRIER. Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Angebote kümmert sich der Kinderschutzbund um die Belange von Kindern. Von der Hilfe in akuten Notsituationen bis zur Beratungs- und Informationsarbeit drängen sich verschiedene Projekte auf engstem Raum.

Vor dem Haus eine schmutzig-graue Tür in einem düsteren Eingang. Heruntergekommene Briefkästen, Graffiti-Schmierereien. Im Hof Beton und Fliesen, abplatzender Putz, ein paar Quadratmeter Fläche. Hinterhöfe in Berlin-Kreuzberg sind eine Sonneninsel dagegen. Wäre nicht das kleine Schild "Kinderschutzbund", niemand käme auf die Idee, hier eine soziale Hilfsorganisation zu vermuten. Sollte sich ein Kind hierhin verirren, oder labile Eltern, die Rat suchen: Sie würden wahrscheinlich auf der Stelle kehrtmachen. "Wir brauchen sehr viel positive Energie, um dieses Ambiente überhaupt wettzumachen", sagt Kirsten Erdtmann vom Kinderschutzdienst. Zu ihr kommen meist Kinder, die sexuell missbraucht oder körperlich misshandelt worden sind. Manchmal nur für eine einzelne Beratung. Aber manchmal auch über Jahre.Der Schutzdienst ist eine Art Feuerwehr

Der Kinderschutzdienst ist eine Art Feuerwehr. Wenn er eingreifen muss, dann brennt es - oder zumindest besteht der begründete Verdacht. Oft sind es die Jugendämter, die die Fachabteilung des Kinderschutzbundes einschalten. "Der Kinderschutzdienst ist für uns unverzichtbar", sagt der Leiter des Kreisjugendamtes Trier-Saarburg, Hans Schmitt. Der Landkreis unterstützt die Arbeit mit jährlich 45 000 Euro, das Land ist mit einer ähnlichen Summe dabei, die Stadt Trier steuert 90 000 Euro bei. Angesichts der leeren öffentlichen Kassen ein beachtliches Engagement. Für einen Verein aber, der insgesamt sechs hauptamtliche Stellen, verteilt auf elf Mitarbeiter, finanzieren muss, noch längst keine sichere Existenzgrundlage. Die Beiträge der knapp 400 Mitglieder, die mühsam eingeworbenen Sponsorengelder, die Einnahmen aus Bußgeldern oder Stiftungszuwendungen: Alles zusammen reicht gerade aus, um den Betrieb am Laufen zu halten. An Rücklagen, zum Beispiel für die Finanzierung des seit Langem gewünschten Kinderschutz-Hauses, ist da nicht zu denken. Dabei wächst der Bedarf für die Angebote des Kinderschutzbundes ständig. Ohne die 20 000 Arbeitsstunden, die 120 ehrenamtliche Helfer jährlich leisten, wäre vieles gar nicht machbar. Bereiche wie das viel gefragte Kinder- und Jugendtelefon werden fast ausschließlich von eigens geschulten Ehrenamtlern organisiert. Der Verein legt großen Wert auf vorbeugende Arbeit. Dazu gehören Elternkurse unter dem Motto "Starke Eltern, starke Kinder". Aber die 100 Euro, die als Teilnahmegebühr verlangt werden müssen, damit halbwegs kostendeckend gearbeitet werden kann, sind oft für diejenigen am schwersten aufzubringen, die es am nötigsten hätten. Im Notfall springt der Kinderschutzbund ein - aber auch dafür ist das Geld knapp. Auch professionelle Beratungsangebote in Schulen, für die die Nachfrage ständig steigt, müssen finanziert werden. Was den Mitarbeitern des Kinderschutzbundes Sorge macht, sind die negativen Auswirkungen der schwierigen räumlichen Situation. Für die Fachstelle "Lichtblick", die sich um Kinder aus Familien mit Suchtproblemen kümmert, war gar kein Platz mehr in den Räumlichkeiten in der Thebäerstraße in Trier-Nord, wo man derzeit untergebracht ist. Ein Tobe-Raum für Kinder

So wird nun an zwei Standorten gearbeitet - alles andere als effektiv für die kleine, aber schlagkräftige Organisation. "Schauen Sie sich das mal an", sagt Elke Boné-Leis, die langjährige Vorsitzende, und öffnet die Tür zu einem kleinen Zimmer mit extremer Dachschräge. Ein Punching-Ball steht dort, ein paar Matratzen. Es soll ein Tobe-Raum sein für Kinder, die wenigstens in diesem geschützten Bereich mal aus sich herausgehen dürfen. Aber wenn sich hier jemand bewegt, hängt er gleich mit dem Kopf an der Decke. Im Hof spielen ist nicht drin, die anderen Räume sind oft mehrfach belegt. Wo Väter in Ruhe den betreuten Umgang mit ihren getrennt lebenden Kindern üben sollen, laufen, wenn der Zeitplan es will, gerade die Teilnehmer einer Kindergruppe vorbei, die den Tod eines Familienmitglieds verarbeitet. "All das könnte anders sein, wenn wir die "Burg" hätten, sagt Boné-Leis. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kinderschutzbundes haben "Traum-Listen" erstellt, was sie zugunsten der Kinder und ihrer Familien besser und ansprechender machen könnten, wenn es das Haus für den Kinderschutz gäbe. Die Aktion "Meine Burg" könnte die Träume nun wahr werden lassen.

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