"Time is Honey" heißt das aktuelle Programm des Circus Roncalli in Abgrenzung zur Redewendung "Time ist Money" - Zeit ist Honig statt Geld. Nicht Zählbares lässt ein Leben gelingen, sondern schöne Momente.
Eine riesige Uhr liegt auf dem Boden der Manege im Trierer Messepark. Michael Ortmeier balanciert um das Ziffernblatt herum über Flaschen. Roncalli-Direktor Bernhard Paul hat den Akrobaten einst bei "Wetten dass...?" gesehen, und noch vor Ende der Sendung hatte er ein Jobangebot beim Zirkus. Jeder der Akteure ist ausgewählt, erlesen, ein Höhepunkt im Programm. Gummimensch Andrey Romanovsky rutscht zusammengefaltet in eine Metallröhre, beim Handstand von Muskelmann Encho Keryazov auf lose übereinandergestapelten Blöcken zücken viele der gut 1000 Premierengäste die Handykamera.
Wände, Säulen und Logen im nicht ganz ausverkauften Roncalli-Zelt sind in Beige, Blau, Gold und Rot gehalten. Üppige Vorhänge und stoffbezogene Stühle verbreiten Theateratmosphäre. Den schönsten Zirkus der Welt wollte Gründer Bernhard Paul erschaffen, als er 1976 seinen Job als Art-Direktor eines Wiener Magazins kündigte. Mit Zugnummern wie Aktionskünstler André Heller wurde sein Projekt bekannt, Paul gilt als Erneuerer der Zirkuskunst.
Jede Nummer hat ein eigenes Stimmungsbild aus Licht, Farbe, Musik, Kostümen. Reifenkünstlerin Geraldine Philadelphia lässt weiße Glitzerreifen um ihren Körper im weißen Glitzerkleid kreisen, Scheinwerfer zeichnen weiße Lichtkreise. Lange bevor man sich daran sattsehen könnte, geht das Licht aus, und die Reifen leuchten bunt.
Eine Pferdedressur ist die einzige Tiernummer, mehr niedlich als spektakulär, dafür ausgesprochen freundlich im Umgang mit den Ponys. "Als Kind habe ich den Zirkus geliebt", sagt Direktor Paul. "Mich störte aber, dass die Bären auf so engem Raum saßen. Schon damals hatte ich das Gefühl, dass das nicht richtig sein könne." Was braucht ein Zirkus, um ohne wilde Tiere zu funktionieren? "Clowns, Clowns, Clowns", antwortet Paul. "Die Welt ist rau genug." Und so ziehen sich Clownerien durchs Programm, sind die Seele der Vorstellung, witzig, anrührend, oft mehr Poesie als Ulk.
Zum Finale nach zwei Stunden regnet es Luftschlangen und Konfetti auf die rund 50 Akteure, Luftballons schweben ins stehend klatschende Publikum. Doch Roncalli wäre nicht Roncalli, ginge die Show erwartbar zu Ende. Hier kehren die Clowns noch einmal zurück, leise, in Nachthemden und Schlafmützen, mit Kerzen in der Hand. Und mit einer großen, tickenden Uhr.Extra

Julia Feyerabend (21), Fulda: Ich bin zum ersten Mal hier und begeistert von der Komplexität und dem Schwierigkeitsgrad der Nummern. Dieser Zirkus ist einer der besten. Ingrid Kostka (82), Trier: Die Nummern sind großartig, die Clownerie herrlich. Ich fühle mich zurückversetzt in meine Kindheit. Es ist ein bisschen wie in Monaco. Heike Hermesdorf (40) mit Lukas (4), Trier: Mein Sohn hat zwar gefragt, ob es hier denn keine Tiere gibt. Aber er ist auch so begeistert, besonders die Clowns gefallen ihm. Linda Pucher (8), Trier: Ich habe schon andere Zirkusse gesehen - hier bei Roncalli gefällt mir besonders, dass es so viel Musik gibt und dass die live gemacht wird. Michael Weituschat (48), Görlitz: Die Show ist professionell aufgezogen, hier ist alles gepflegt und hat Stil. Das sieht man schon an den Zirkuswagen draußen vor dem Zelt. ik/TV-Fotos (5): Inge KreutzExtra

Der Circus Roncalli gastiert bis zum 4. August im Messepark Trier. Vorstellungen gibt es mittwochs bis samstags um 15 Uhr und um 19.30 Uhr, sonntags um 14 Uhr und um 18 Uhr. Montags und dienstags ist spielfrei. Am 28. Juli lädt der Zirkus von 10 bis 12 Uhr zum Tag der offenen Tür. Karten: www.roncalli.de, Telefon 0651/98229900, an der Zirkuskasse, unter der TV-Tickethotline 0651/7199-996 oder im TV-Servicecenter Trier. ik