"Das rote Möhrchen Praktikum"

Flagge zeigen, das ist Andrea Nahles, SPD-Vize-Parteivorsitzende, nach eigenen Angaben wichtig. In Kenn tauschte sie sich deshalb mit Interessierten zum Thema "Arbeit braucht faire Löhne" aus.

 Kämpferisch: Andrea Nahles setzt sich für Frauen, Arbeit und Bildung ein. TV-Foto: Mandy Radics

Kämpferisch: Andrea Nahles setzt sich für Frauen, Arbeit und Bildung ein. TV-Foto: Mandy Radics

Kenn. (MRA) "Das nenn' ich einen heißen Wahlkampf", meint ein Gast im Hinblick auf den schwül-heißen Abend, den SPD-Vize-Parteivorsitzende Andrea Nahles für ihren Vortrag "Arbeit braucht faire Löhne" erwischt hat. Mehr als 50 Leute sind trotz der Backofen-Temperaturen in Kenn erschienen. Den gegenseitigen herzlichen Umarmungen ist zu entnehmen, dass die Mehrzahl Parteifreunde sind. Auch Nahles gibt sich locker. Ganz leger, in einem braunen Leinen-Sommerkleid, geht sie auf die Gäste zu, schüttelt Hände, hält Schwätzchen. Kein rotes Accessoire ist an ihr zu sehen, ganz im Gegensatz zum Organisator des Abends, Manfred Nink (SPD), Mitglied des Landtags, der die obligatorische rote Krawatte umgelegt hat. Nahles meint lachend: "Ich trage keine Anhängsel. Eigentlich ist blau eher meine Farbe. Außerdem sind meine Haare mein Markenzeichen. Wenn ich die mal zusammenbinde, erkennt mich niemand." Heute soll jeder sie erkennen, denn der Wahlkampf läuft.

Eigentlich sollte die Veranstaltung in der Freizeitanlage Bernhard-Becker sein. Aufgrund der flirrenden Hitze, auch gegen halb neun abends zeigt das Thermometer noch 30 Grad, beschließen Nahles und Nink, den politischen Austausch unter freiem Himmel stattfinden zu lassen. "Wenn Manfred Nink ruft, komme ich gern. Das können nicht viele Männer von sich behaupten", beginnt Nahles ihren Vortrag. Die Zuschauer lachen.

Sie spricht über faire Löhne. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ohne Ausnahmen, auch für Frauen" ist eines ihrer größten Anliegen. Sie steht auch für den Slogan: "keine Kürzung in der Bildungspolitik und Schulsozialarbeiter an jeder Schule".

"Wir können jungen Leuten nicht die Bratpfanne vor den Kopf hauen." Sie fordert für die Generation Praktikum eine Mindestvergütung ab dem zweiten Monat des Praktikums. "Junge Leute bekommen das rote Möhrchen Praktikum vorgehalten. Das ist Ausbeutung."

Ein Bildungssoli von Spitzenverdienern über 125 000 Euro im Jahr (zwei Prozent mehr Spitzensteuersatz) solle in die Bildung investiert werden. Und Mindestlöhne fordert sie vehement. Drei Millionen Beschäftigte würden unter sieben Euro pro Stunde verdienen. "Bei uns wird der Wert der Arbeit nach der Entlohnung beurteilt. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie nur sechs Euro pro Stunde hätten?"

Sie schwört mit ihrer Rede die Parteimitglieder ein, die immer wieder zustimmend nicken. Im folgenden Austausch kommt auch Kritik zur Sprache.

So fordert ein Mann: "Ich denke, SPD und Gewerkschaften sollten den Kampf um die Mindestlohn-Findung zusammen führen." Eine Frau will mehr Betonung der Forderung, dass Leiharbeit kein Dauerzustand werden darf.

Und ein Zuschauer sieht überall Politikverdrossenheit, die man nicht dadurch ändern könne, nur in der Wahlkampfzeit präsent zu sein. Ein anderer Gast wünscht sich "mehr Flagge zeigen" von der SPD, weil sie oft als "CDU light" bezeichnet würde. Hier wehrt sich Nahles entschieden, denn sie zeige immer Flagge.

Bleibt abzuwarten, ob Flagge zeigen der SPD im Wahlkampf helfen wird. Derzeit werden ihr knapp über 20 Prozent als Ergebnis bei der Bundestagswahl prognostiziert, während die CDU/CSU bei weit über 30 Prozent liegt.

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