Haushaltsumfrage für den Papierkorb?

Ralingen/Langsur · Viele Ralinger Bürger haben sich im November 2010 an einer Haushaltsumfrage der Uni Trier beteiligt. Die kollektive Fleißarbeit (111 Fragen) soll Datenmaterial liefern für Projekte, die die Lebensqualität im Dorf verbessern. Nun jedoch droht die Studie im Papierkorb zu landen, denn die Gemeinde will sie nicht finanziell fördern. Es geht um 2000 Euro.

Ralingen/Langsur. Allerorten wird überlegt, was man angesichts des sozialen Wandels (Stichwort demografische Entwicklung) tun kann, um das Leben und Wohnen in den Dörfern attraktiv zu gestalten. So auch an der Sauer. In Langsur und Ralingen verteilten im vergangenen Jahr Studenten des Trierer Sozialwissenschaftlers Waldemar Vogelgesang Fragebögen an alle Haushalte (der TV berichtete). Die Bereitschaft der Bevölkerung, die 111 Fragen zu Themenbereichen wie Infrastruktur und Lebensqualität zu beantworten, war riesengroß: 53,7 Prozent Rücklaufquote gab es in Langsur, 53,8 waren es gar in Ralingen. Vogelgesang frohlockte: "Das ist weltrekordreif, normalerweise beteiligen sich 20 bis 30 Prozent der Haushalte an solchen Aktionen."
Während in Langsur bereits im ersten Halbjahr 2011 die Ergebnisse der Uni-Studie in den Ortsteilen und in einer Gesamtpräsentation vorgestellt worden sind und es nun mit den Bürgern an die Umsetzung von Maßnahmen geht, droht dem Projekt einige Kilometer saueraufwärts in der Gemeinde Ralingen mit den Ortsteilen Wintersdorf, Edingen, Godendorf, Olk und Kersch (2200 Einwohner) das Aus: Der Gemeinderat sieht sich angesichts fehlender Haushaltsmittel (Fehlbedarf 2011 und 2012 jeweils rund 200 000 Euro) außerstande, das Projekt mit 2000 Euro zu unterstützen. Ortsbürgermeister Oswald Disch (CDU): "Wir sind von der Kommunalaufsicht angehalten, jede freiwillige Ausgabe zu vermeiden." Das Ergebnis der Studie sei sicherlich für die Allgemeinheit interessant, lautete der Tenor im Gemeinderat, jedoch sei es nicht in Ordnung, wenn man die Finanzierung der Studie voraussetze und der Gemeinde nicht mitteile, was finanziell auf sie zukomme. Auch Dischs Verhältnis zu Projektleiter Vogelgesang ist inzwischen abgekühlt: "Er hat sich seit Mai nicht mehr bei mir gemeldet." Auf TV-Anfrage, ob denn die Bevölkerung nicht Ergebnisse der Studie vermisse, meint Disch, bei ihm habe noch keiner nachgefragt.
Bürgerinitiative springt ein


Das einzige Ratsmitglied, das für die Zahlung der 2000 Euro gestimmt hatte, war Alfred Wirtz von den Freien Wählern. Gerade wenn eine Gemeinde wenig Geld zur Verfügung habe, so sein Argument, komme es auf gute Ideen der Bürger an. Es sei paradox, wenn nach euphorischem Start nun das Projekt aus "schleierhaften Gründen" zu scheitern drohe. Wirtz und andere Mitglieder der Bürgerinitiative gegen den Megasteinbruch Olk wollen nun selbst zusammen mit der Uni die Ergebnisse präsentieren. Anschließend soll eine Arbeitsgemeinschaft "Dorfentwicklung" gegründet werden, die sich unter Beteiligung von interessierten Bürgern um die Umsetzung von Projekten kümmert.
Sozialwissenschaftler Vogelgesang ist froh über die Chance, dass die Ergebnisse der Haushaltsbefragung (Auszug im Extra) nun doch noch unters Volk kommen und nicht nur in den Diplomarbeiten seiner Studenten ihren Niederschlag finden. "Es wäre schade, wenn das große Engagement der Bürger sich nicht über die Daten rückspiegeln würde." Gemeinden wie Langsur und Ralingen könnten von dem "Lebenswelt-Porträt" der Studie über Jahre zehren. Für Auswertung und Präsentation sei er auf Hilfskräfte angewiesen, sagt der Wissenschaftler. Deshalb sei man auch auf die finanzielle Förderung durch die beteiligten Orte angewiesen.Meinung

Armes Ralingen
Da kommt eine Gemeinde durch glückliche Umstände und sehr kostengünstig in den Genuss einer wissenschaftlich fundierten Sozialstudie, ist stolz auf die rege Beteiligung der Bevölkerung und steigt dann aus - mittendrin. Sind die Gemeindeväter von allen guten Geistern verlassen? Sind ihnen die zahlreichen Einschätzungen und Wünsche ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht mal 2000 Euro wert? Armes Ralingen! Zugegeben, die Finanzlage des Sauerortes ist nicht rosig, aber die Aufsichtsbehörde würde ihm wegen einer Ausgabe von 2000 Euro wohl kaum den Kredithahn zudrehen. Bei so einer großen Gemeinde kann eine solch vergleichsweise geringe Summe leicht durch Umschichtung im Haushalt freigeschaufelt werden. Für die neue Energiegewinnungs-GmbH war ja auch Geld da. Auch die Angriffe des Rates auf die Projektleitung (angeblich fehlende Abstimmung im Vorfeld) wirken kleinkariert. Man wird den Eindruck nicht los, dass die Finanzen nur ein Teil der Rückzugswahrheit sind. Doch was steckt noch dahinter? Fürchten "Dorffürsten", an Macht und Einfluss zu verlieren? Haben sie Angst vor Wutbürgern? Schlimm, wenn es so wäre. a.follmann@volksfreund.deWohnzufriedenheit: 92,4 Prozent der Ralinger sind mit ihrer Wohnsituation sehr oder eher zufrieden, nur 1,7 Prozent sind sehr oder eher unzufrieden. Erscheinungsbild Ort: 52,6 Prozent finden, dass sich Ralingen zum Guten gewandelt hat, 18,4 Prozent erkennen keinen Wandel, und 10,8 Prozent konstatieren, das Ortsbild habe sich verschlechtert. Dorfgemeinschaft: Den Zusammenhalt der Menschen im Ort empfinden 17,5 Prozent als gut, 51,2 Prozent als "eher gut"; 18,9 Prozent geben hierfür schlechte Noten. Differenziert nach Ortsteilen wird der Zusammenhalt in Wintersdorf (82,9 Prozent) am höchsten eingeschätzt; am niedrigsten in Kersch (48,1). Infrastruktur: Höchst unzufrieden sind die Ralinger mit ihren Einkaufsmöglichkeiten (das geben 76 Prozent der Haushalte an), danach folgen die Bereiche Busanbindung (71 Prozent) und Freizeitangebote (51 Prozent). alf

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