Mädchen retten schwimmendes Schaf vor Schlachter

Schöndorf · Ein ausgebüxtes Schaf, damals noch für eine Ziege gehalten, hat Ende Juni mit Bädern in der Mosel und Spaziergängen über die Trierer Römerbrücke für Aufsehen gesorgt. Mittlerweile hat "Nemo von Wasserschaf" auf dem Margarethenhof in Schöndorf ein neues Zuhause gefunden - und ist damit dem Schlachter entkommen.

Zufrieden frisst Nemo Grasbüschel auf der Wiese vor dem Margarethenhof in Schöndorf. Nur die an einem Baum sicher befestigte Leine zeigt dem Betrachter: Bei diesem Tier besteht Fluchtgefahr.

Wie sehr das bei dem Kamerunschaf der Fall ist, zeigt seine Vorgeschichte: Ende Juni entdeckten Passanten Nemo auf der Kreuzung Luxemburger Straße/Aachener Straße/ Römerbrücke und hielten das Tier für eine Ziege.
Ziege entpuppt sich als Schaf


Um nicht eingefangen zu werden, ergriff Nemo die Flucht und rettete sich schwimmend an das andere Moselufer. Auf Höhe der Berufsfeuerwehr ging er an Land und setzte seinen Weg in Richtung Römerbrücke fort.

Als Rettungskräfte von Bundespolizei, Polizei und Feuerwehr versuchten, das Tier einzufangen, flüchtete es erneut in die Mosel. Erst mithilfe eines Lassowurfs eines Feuerwehrmannes war Nemos Ausflug beendet.

Unterschlupf in der Mädchen-Wohngruppe

Unterschlupf fand er schon kurze Zeit später auf dem Margarethenhof in Schöndorf. In der intensiv-pädagogischen Mädchen-Wohngruppe fand das Schaf zunächst ein Zuhause auf Zeit. "Wir hatten einen großen Ziegenbock erwartet", erzählt Nadine Schmidts (38), Hausleiterin des Margarethenhofs. Als Nemo dann das Feuerwehrauto verließ, war die Überraschung groß: Denn der ausgebüxte Ziegenbock entpuppte sich als einjähriges Kamerunschaf.

Anfang Juli gelang es dem Ordnungsamt, den früheren Besitzer aus Luxemburg ausfindig zu machen. Als dieser das Tier in Schöndorf abholen kam, zog er Nemo mit den Worten "Der kommt hier nicht mehr lebend raus" an den Hörnern in den Transporter.

Anruf beim Besitzer

Dass das freiheitsliebende Schaf beim Schlachter enden sollte, ließ Nadine Schmidts und Anerkennungspraktikantin Selina Zachay (21) keine Ruhe. Ein Anruf bei dem früheren Besitzer brachte die Lösung: Der Luxemburger schlug vor, dem Margarethenhof das Schaf zu schenken.

Weil er das Tier aber bereits zum Schlachter gebracht hatte, wisse er nicht, ob es noch lebe. Das war zum Glück der Fall.

Zwei Wochen später bezog das ausgebüxte Tier wieder die Box im Stall des Margarethenhofs - diesmal für immer. Bei den acht Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren ist das Schaf sehr beliebt. "Die Mädchen pflücken extra jeden Morgen Gras für Nemo", erzählt Zachay.

Benannt nach einem Animationsfilm

Und auch für den Namen des neuen Bewohners sind die Mädchen verantwortlich. "Nemo von Wasserschaf" nennen sie den kleinen Hornträger, dessen Name auf den Animationsfilm "Findet Nemo" und das Bad in der Mosel anspielt.

Bewohnerin Cristina (16), die seit acht Monaten auf dem Margarethenhof wohnt, hat Nemo schon lieb gewonnen: "Als er hier ankam, war er noch ein wenig ängstlich. Mittlerweile lässt er sich manchmal sogar streicheln." Durch seine Vorgeschichte passe Nemo ideal in die Gruppe, sagt Nadine Schmidts.

Schwierige Vorgeschichte

Auch die menschlichen Bewohnerinnen des Margarethenhofs hätten alle eine schwierige Vorgeschichte mit schulischen oder familiären Problemen. Künftig sollen die Mädchen sich nicht nur um die Pferde, Hunde, Ziegen, Lamas, Lämmer, Hühner und Kaninchen kümmern, sondern auch Verantwortung für Nemo übernehmen. Wenn das Kamerunschaf genug Vertrauen aufgebaut und seinen Freiheitsdrang im Griff hat, wird wohl auch die Leine verschwinden.
Extra

Der Margarethenhof in Schöndorf ist eine intensiv-pädagogische Wohngruppe, die seit April 2010 besteht. Das Angebot richtet sich an junge Frauen und Mädchen, die sich nicht mehr auf eine Regelwohngruppe einlassen und teilweise keine Schule mehr besuchen. Der Tagesablauf in der Einrichtung ist klar strukturiert. Das Besondere bei dem pädagogischen Konzept: Tiere stehen im Mittelpunkt. Der Umgang mit Pferden, Ziegen, Hunden oder Kaninchen soll den Mädchen und jungen Frauen ermöglichen, Verantwortung zu übernehmen. Jede Bewohnerin ist in einem eigenen Zimmer untergebracht.

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