Mittler, Moderator, Mädchen für alles

Schweich · Braucht Schweich einen hauptamtlichen Stadtbürgermeister? Otmar Rößler meint Ja, aber die Kommunalverfassung sieht das nicht vor. Rößler hat die Moselstadt sechs Jahre ehrenamtlich und im Halbtags-Job geführt, bevor er zurücktrat. Nun gibt es zwei Bewerber, die auch Haupt- und Nebenjob unter einen Hut bringen müssen. Der TV listet auf, was alles auf das Stadtoberhaupt zukommt.

Schweich. Die Gründe, die den Schweicher Stadtbürgermeister Otmar Rößler (FWG) im April zum Rücktritt bewogen haben, waren im Grunde genommen lapidar: eine vom Stadtrat mehrheitlich beschlossene Absetzung eines Tagesordnungspunktes und ein kleiner Streit mit den Beigeordneten.
Doch wie so oft im Leben reichen Banalitäten, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Was Rößler wirklich zusetzte und sich wohl über die ganzen sechs Jahre seiner Amtszeit angestaut hat, das offenbarte er VG-Bürgermeisterin Christiane Horsch in seinem Rücktrittsschreiben: "Zu Beginn meiner Amtszeit war der Arbeitsaufwand sehr hoch, aber ich habe geglaubt, dass der Aufwand irgendwann geringer werden wird. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Zahl der Aufgaben steigt und ihre Bearbeitung wird immer komplexer."
Eine stark wachsende Stadt mit nahezu 8000 Einwohnern zu führen, zu dieser Einsicht ist Rößler gelangt, sei nur hauptamtlich möglich. Der 61-Jährige, der als Dozent an der Verwaltungshochschule in Mayen arbeitet, hatte sich zu 50 Prozent freistellen lassen, um das Ehrenamt ausüben zu können. Die Lohnerstattung übernahm die Stadt Schweich.
Daneben gibt es - wie bei den Ortsbürgermeistern auch - eine Aufwandsentschädigung, die sich an der Einwohnerzahl orientiert. Im Jahr 2014 waren das im Fall von Schweich knapp 25 000 Euro.Das Duell - Die Wahl in Schweich


Auch der Rößler-Nachfolger soll zur Hälfte von der Stadt bezahlt werden. Für die Stadtbürgermeisterwahl am 12. Juli kandidieren Lars Rieger (CDU) und Achim Schmitt (SPD). Beide haben mit ihren Arbeitgebern bereits abgeklärt, dass sie im Falle ihrer Wahl zu 50 Prozent freigestellt werden. Rieger ist Bankkaufmann in Luxemburg und Schmitt Verwaltungsbetriebswirt bei der ADD in Trier.
Der künftige "starke Mann" von Schweich wird einiges zu leisten haben. Er ist Vorsitzender des Stadtrats, der einmal im Monat tagt, Vorsitzender der Ausschüsse und gegebenenfalls auch der Arbeitskreise, die zur Steuerung größerer Projekten eingesetzt werden.
Er leitet die Verwaltung, repräsentiert die Kommune nach außen, ist erster Ansprechpartner für Bürger, Vereine und Institutionen, ist Mittler, Moderator, Integrationsfigur und Bindeglied zur Verbandsgemeindeverwaltung. Diese führt die Verwaltungsgeschäfte der verbandsangehörigen Städte und Gemeinden und setzt Ratsbeschlüsse um, beispielsweise die Instandhaltung von Straßen oder Bebauungspläne.
Vom Stadtbürgermeister wird erwartet, dass er seine Kommune voranbringt. Er kümmert sich um Infrastruktur, Gewerbe, Handel, das soziale und kulturelle Umfeld, er soll sicherstellen, dass genügend Wohnraum vorhanden ist und dass die Finanzen stimmen.
Das Stadtoberhaupt führt Verhandlungen mit dem Land, dem Kreis, der Verbandsgemeinde und Fachbehörden wie der ADD und der SGD. Kurzum: Ein Bürgermeister ist Mädchen für alles und hat kaum Zeit für seine Hobbys oder die Familie. Zwölf- oder Vierzehnstunden-Tage aufgrund von Abendterminen sind keine Seltenheit.Einwohnergrenzen klar definiert


Eine Stadt von der Größe und Bedeutung Schweichs könne man nicht nebenbei führen, sagt Burkhard Höhlein vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz. Deshalb habe auch der Ministerrat den Weg für eine bis zu 50-prozentige Freistellung im Ehrenamt geebnet.
In besonders begründeten Ausnahmefällen seien auch 60 Prozent möglich, sagt Höhlein. Aber nur übergangsweise. Weil Schweich eine verbandsangehörige Stadt ist (sie gehört zur Verbandsgemeinde Schweich), darf sie laut Kommunalverfassung keinen hauptamtlichen Stadtbürgermeister haben (siehe Extra). Eine verbandsfreie Stadt muss mindestens 10 000 Einwohner aufweisen, um einen hauptamtlichen Bürgermeister einsetzen zu können.Meinung

Ehrenamtler kann\\'s richten
Schweich müsste schon mehr als 2000 Einwohner zulegen und sich von der Verbandsgemeinde Schweich abkapseln, um die Voraussetzungen für einen hauptamtlichen Bürgermeister zu erfüllen. Das ist sehr unwahrscheinlich, zumal die anderen Kommunen der VG wohl ungern den stärksten Partner und größten Mitfinanzierer ihrer kommunalen Familie verlieren würden. Aber auch ein ehrenamtlicher Stadtbürgermeister kann Akzente setzen. Neben einem guten Zeitmanagement und einer verständnisvollen Familie braucht er vor allem Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft. Er muss den Stadtrat für seine Politik begeistern können und mit seinem Apparat, der Verbandsgemeindeverwaltung, effektiv zusammenarbeiten. Eventuell ist ja sogar aufgrund der vielen Projekte, die derzeit in Schweich zu stemmen sind, eine 60-prozentige Freistellung vom Arbeitgeber möglich. Damit hätte der Stadtbürgermeister noch etwas mehr Spielraum als bei einem Halbtagsjob - zumindest so lange, bis die großen Aufgaben wie der Ermesgraben, das Verkehrskonzept, die Gestaltung des Bahnhofsumfeldes und das Sanierungsgebiet Alt-Schweich in trockenen Tüchern sind. a.follmann@volksfreund.deExtra

Im ländlich strukturierten Rheinland-Pfalz gibt es weniger als 50 hauptamtliche Bürgermeister, dagegen mehr als 2200 ehrenamtlich tätige Orts- oder Stadtbürgermeister. Damit nimmt das Land eine Sonderstellung in Deutschland ein. Das hängt damit zusammen, dass dem Ehrenamt in der Verfassung eine große Priorität eingeräumt wird. Verbandsgemeinden gelten heute wegen der kurzen Wege als effizienter und schlagkräftiger als Einheitsgemeinden, die beispielsweise in Nordrhein-Westfalen üblich sind. Diese werden zentral verwaltet und haben Ortsbezirke, so wie es sie auch in großen Städten wie Trier gibt. Als Rheinland-Pfalz den Übergang zu Einheitsgemeinden ermöglichte, waren nur vier Verbandsgemeinden im Land dazu bereit, darunter Morbach. Und das, obwohl Mainz den Wechsel mit der Zahlung von doppelten Schlüsselzuweisungen über zehn Jahre versüßte. Aber auch heute noch ist laut Paragraf 73 der Gemeindeordnung ein Wechsel zwischen den Verwaltungssystemen möglich. alf

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