Stahlbalkone an Stadtvillen

TRIER. Noch schützt keine Erhaltungssatzung das historische Stadtviertel zwischen Merianstraße, Friedrich-Ebert-Allee, Ausoniusstraße und Martinsufer. Dabei hatte der Stadtrat eine solche Satzung bereits im Oktober 2004 bei der Verwaltung in Auftrag gegeben. Inzwischen werden die nächsten Häuser an Investoren verkauft.

Wo einst eine schmucke, verwinkelte Stadtvilla aus den 1920er-Jahren stand, ziert ein Neubau mit Stahlbalkonen die Ecke Merianstraße/Friedrich-Ebert-Allee. Den Umbau zum modernen Mehrfamilienhaus mit aufgestockter Höhe und Sattel- statt Walmdach haben die Trierer Bauunternehmer Gilbers und Baasch geplant und damit nicht nur bei Anliegern für großen Unmut gesorgt: Als "gestalterische Entgleisung" beurteilte Architektur-Koryphäe und Mitglied des städtischen Architektur- und Städtebeirats (ASB) Francois Valentiny das Haus. Zur Zeit rollt bei der Baugrund AG in Bonn, die die im Besitz des Bundes befindlichen Häuser verwaltet, die nächste Verkaufswelle an: "Fest steht, dass im besagten Viertel alle Häuser im Bundesbesitz verkauft werden sollen", sagte ein Sprecher der AG dem TV. Einige seien bereits 2005 verkauft worden, der Rest komme ab Frühling auf den Markt. Ein Teil der Häuser soll in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, der Rest als Gesamtverkäufe an Investoren gehen. Darüber, um welche Immobilien es sich exakt handelt, gibt die AG keine Auskunft. Würden Häuser in Wohneigentum umgewandelt, hätten die Mieter Vorkaufsrecht, bestätigt der Baugrund-Sprecher dem TV. Die Baugrund hat die Parteien in dem aus vier Sechsfamilienhäusern bestehenden langgestreckten Bau am moselseitigen Ende der Merianstraße bereits angeschrieben. Mit Hinweis auf den bevorstehenden Verkauf fragte die AG an, ob Interesse am Wohnungs-Erwerb bestünde. "Aber die Häuser befinden sich in einem so schlechten Zustand, dass sich ein Kauf nicht lohnt", sagt eine Mieterin. Ein undichtes Dach und ein feuchter Keller schrecken die Mieter ab. "Vier oder fünf Wohnungen stehen schon längere Zeit leer und werden nicht mehr vermietet", berichtet die Frau, die mit ihrer Familie seit 18 Jahren in dem Haus wohnt. "Die Baugrund ist doch nur allzu froh, wenn die Mieter raus sind oder auf ihr Vorkaufsrecht verzichten", sagt ein anderer Anlieger, "dann können die Häuser gewinnbringend an Investoren verkauft werden, die freie Hand bei Renovierung und teurer Wiedervermietung haben." Zumindest verschandelnden Renovierungen könnte allerdings Einhalt geboten werden: Bereits im Oktober 2004 hatte der Stadtrat die Verwaltung mit einer Erhaltungssatzung beauftragt, um die "künstlerisch-architektonische und geschichtliche Bedeutung" des Quartiers zu bewahren. Im September 2005 sprach sich der ASB ebenfalls deutlich für eine solche Satzung aus, wollte es dabei aber nicht belassen: Um Gestalt und Charme des Wohnquartiers wirkungsvoll zu schützen, seien außerdem Bebauungsplan und Gestaltungssatzung notwendig. Schütze man nicht umfassend, könne man die Wohnanlage "auch gleich abreißen", wie Valentiny deutlich formuliert.Kein Bebauungsplan, keine Gestaltungssatzung

Doch nicht nur, dass die Stadtverwaltung sich reichlich Zeit lässt mit dem Schützen, sie folgt auch nicht dem Rat des ASB: Auf Anfrage des TV teilte Baudezernent Peter Dietze mit, dass zwar der Entwurf der Erhaltungssatzung vorliege. Die Diskussion im Bauausschuss und in einer Bürgerinfo hätte allerdings ergeben, "dass es notwendig ist, die künftige Regelungsdichte zu ,entdichten'." Das Ziel sei jetzt, "nur die städtebaulich wahrnehmbaren Typisierungsmerkmale" zu definieren. Dazu gehörten Trauf- und Gebäudehöhen, das Verhältnis von Gartenfläche zu bebauter Fläche, die Anzahl der Stellplätze, das Verbot, Vorflächen in Stellplätze umzuwandeln und der typische Bewuchs. "Ein Bebauungsplan mit Gestaltungssatzung kommt nicht in Frage, da es keine Fachbegründung - wie zum Beispiel Denkmalauflagen - dafür gibt.

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