Weckrufe gegen Sprachlosigkeit: Tagung in Trier gibt Anstöße zur Integration von Flüchtlingen

Trier · Ab dem 1. August, vielleicht schon einige Tage davor, wird Trier erstmals Flüchtlinge dauerhaft aufnehmen. Wie es gelingen kann, diese Menschen zu integrieren, war Thema der Fachtagung Lebens(t)räume. Wichtigste Erkenntnis dabei: Alles hängt vom schnellen Erwerb der Sprache ab.

 60 Kreuze wie dieses an der Porta Nigra erinnern zumindest kurz an die toten Flüchtlinge an den Außengrenzen Europas. Foto: privat

60 Kreuze wie dieses an der Porta Nigra erinnern zumindest kurz an die toten Flüchtlinge an den Außengrenzen Europas. Foto: privat

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Trier. Wer am Freitag sehr früh in der Stadt unterwegs war, konnte im Palastgarten, an der Porta Nigra, auf dem Unicampus und beim Rathaus insgesamt 60 Holzkreuze sehen. Sie sollten an die ertrunkenen Flüchtlinge an den Außengrenzen Europas erinnern und waren in der Nacht von Menschenrechtsaktivisten errichtet worden. Unter dem Motto "Marsch der Entschlossenen" nahmen sie Bezug auf eine Protestaktion vor einigen Tagen vor dem Bundestag in Berlin.Marsch der Entschlossenen


Von den Kreuzen war in Trier am späten Vormittag bereits nichts mehr zu finden. Das Thema Flüchtlinge beschäftigte aber dennoch viele Menschen. Nicht zuletzt die 170 Teilnehmer des ersten Runden Tischs Flüchtlingsarbeit, den die Verwaltung als Fachtagung unter dem Motto Lebens(t)räume am Donnerstag in den Räumlichkeiten der Europäischen Kunstakademie organisiert hatte (TV vom Freitag).
Wie kann in Trier das zusätzliche Bevölkerungswachstum mit Menschen aus drei Dutzend Nationen gelingen? "Das Wichtigste ist die unmittelbare Vermittlung der deutschen Sprache", fasst der Berliner Sozialwissenschaftler und Moderator Rainer Ohliger eine zentrale Erkenntnis der Tagung zusammen. "Wer dabei glaubt, 300 Stunden Sprachkurs würden genügen, liegt falsch. Mindestens 1000 Stunden sind notwendig, um die wesentlichen Grundkenntnisse zu erwerben."
Damit liegt er auf einer Linie, auch mit der Sozialdezernentin Triers. "Deutsch lernen muss am ersten Tag beginnen", fordert Angelika Birk. "Es darf einfach nicht sein, dass ein neunjähriges Kind für seine Eltern als Dolmetscher schwierige Dinge wie einen Mietvertrag aushandelt, weil die Eltern keine Möglichkeit erhalten haben, Deutsch zu lernen." Für viele Asylbegehrende ist das derzeit Realität, weil sie eine intensive Sprachförderung erst nach Abschluss ihres Verfahrens erhalten können. "Zwei Jahre verlorene Zeit", sagt auch Maria Duran-Kremer, die bei der Fachtagung einen der vier Arbeitskreise leitete. Von den Ergebnissen versprechen sich die Stadt und alle in der Flüchtlingsarbeit engagierten Akteure auch Ideen für eine bessere Vernetzung und Steuerung der vielen bereits vorhandenen privaten und institutionellen Initiativen.
Eine besonders vielversprechende davon ist das Kulturlabor Trier: Künstler besuchen einmal wöchentlich die Kinder der Aufnahmeeinrichtung in der Dasbachstraße. "Am Ende jeder Stunde hat jedes Kind etwas Neues gelernt oder geschaffen", sagt die Künstlerin Elke Reiter, die begeistert davon ist, wie schnell dabei Sprach- und Kontaktbarrieren überwunden werden.Aufnahmeeinrichtung voll belegt


Nun wird dieses Angebot auf die Jugendhilfeeinrichtung Don Bosco Helenenberg ausgeweitet, wo minderjährige alleinreisende Flüchtlinge betreut werden. Deren Zahl wird in den Sommermonaten weiter wachsen. So wie in der Aufnahmeeinrichtung in der Dasbachstraße, die derzeit mit 900 Asylbegehrenden überbelegt ist. 1200 Menschen sind es sogar in der ehemaligen General-von-Seidel-Kaserne in Euren. Die als Provisorium gedachten Großzelte bieten kaum noch Kapazitäten.
Zumindest wenn ab August die ersten von in diesem Jahr 400 Migranten offiziell als Neubürger in das Stadtgebiet umziehen, kann das kein Maßstab für Wohnraum sein. Oberbürgermeister Wolfram Leibe ist überzeugt, dass die Neubürger eine Bereicherung sein können. "Wir sind eine Großstadt mit 108 000 Einwohnern. Da muss es doch möglich sein, bis Ende kommenden Jahres 1000 Menschen zu integrieren."

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