Wer reist, lernt dazu

TRIER. Mit einem einzigartigen Gesamtkunstwerk aus Akrobatik, farbenprächtiger Exotik und Elementen einer faszinierenden Tradition begeisterte der Chinesische Nationalzirkus 1500 Zuschauer in der Arena Trier. Das Programm führte auf eine die Fantasie anregende Entdeckungsreise mit Marco Polo durch das kaiserliche China.

 Mit vollendeter Disziplin und hohem ästhetischen Anspruch überwinden Artistinnen des Chinesischen Nationalzirkus mit ihrer Treppe aus Stühlen jedes Gesetz von Schwerkraft und Statik. TV-Foto: Anke Emmerling

Mit vollendeter Disziplin und hohem ästhetischen Anspruch überwinden Artistinnen des Chinesischen Nationalzirkus mit ihrer Treppe aus Stühlen jedes Gesetz von Schwerkraft und Statik. TV-Foto: Anke Emmerling

"Wer reist, lernt immer dazu." Diese Worte spricht ein Mann in mittelalterlicher Kleidung, der auf der von zwei goldenen Löwen flankierten, mit Papierbahnen und Lampions asiatisch dekorierten Bühne der Arena steht. Er gibt sich als Marco Polo zu erkennen, ein venezianischer Kaufmann und Entdeckungsreisender, der vor 800 Jahren fast zwei Jahrzehnte in China verbrachte. Und der nun von seinen faszinierenden Erfahrungen erzählen will, zum Beispiel von der Pracht der Festgelage am kaiserlichen Hof in Peking. Noch während er spricht, entsteht das Bild dazu lebendig vor den Augen der Zuschauer. Anmutige, zierliche Tänzerinnen schweben zu chinesischer Musik auf die Bühne und formen auf einem großen Tisch mit biegsamen, scheinbar schwerelosen Körpern Menschenskulpturen. Filigran wie die gläsernen Etageren, die sie dabei auf Füßen, Köpfen und Händen balancieren, und die so strahlen wie der Glanz von Kostümen und lächelnden Augen. Auftakt eines alle Sinne beflügelnden Erlebens, das die Sehnsucht weckt, den Reichtum einer jahrtausendealten Kultur kennen zu lernen. Jungen und Mädchen mit viel Disziplin

Und genau das bietet Produzent Raoul Schoregge mit dem neuen Programm des Chinesischen Nationalzirkus', für das er die Crème de la Crème chinesischer Artisten verpflichtet hat, darunter erst acht- bis neunjährige Jungen und Mädchen. Sie verblüffen mit ungeheurer Geschmeidigkeit ihrer Körper in getanzten Kampfszenen oder Saltonummern, bei denen Reisschälchen aus Porzellan, ohne auch nur zu zittern, auf Köpfen oder Füßen gestapelt bleiben. Exquisite Körperbeherrschung, Disziplin, Klarheit und Ruhe ziehen sich durch das gesamte Programm, ob waghalsige Handstandreihe auf einer Treppe aus Stühlen, die das Gesetz der Schwerkraft einfach aufhebt, kapriziöses Diabolospiel oder humorvolle Wurfnummer mit Blumentöpfen, die von einem starken Nacken aufgefangen werden. Anders als beim herkömmlichen Zirkus liegt der Reiz nicht nur in artistischen Spitzenleistungen, die sich verblüffend einfacher Requisiten wie Tische, Stühle oder Porzellangeschirr bedienen. Die besondere Faszination entsteht aus der Einbettung in äußerst ästhetische Choreografie, farbenprächtige Kostümausstattung, raffinierte Lichtregie, vor allem aber den inhaltlichen Zusammenhang mit chinesischer Tradition und Philosophie. "Ruhe und Reinheit sind das Maß aller Dinge"

Da gibt es eine "Dressurnummer" mit "Löwen", Maskenfiguren, die gerade aus einem rituellen Tanz entsprungen zu sein scheinen, oder einen Schaukampf der Charaktere eines traditionellen Schauspiels. All das zusammengefügt durch die Erzählungen "Marco Polos", die zwischen der Sichtweise eines Europäers und der fremden asiatischen Kultur vermitteln oder mit Weisheit den Ansatz des Chinesischen Nationalzirkus' auf den Punkt bringen: "Ruhe und Reinheit sind das Maß der Welt." Mit einem bunten, tänzerisch-akrobatischen Abschlussgelage endet die Reise des Venezianers und des Publikums zwar auf der Bühne, doch in manchem Traum wird sie sicher weitergehen. Noch einmal ist die außergewöhnliche Show in der Region zu sehen, am 1. April in der Rockhal im luxemburgischen Esch/Alzette. Und am 7. März nächsten Jahres gastiert der Chinesische Nationalzirkus wieder mit neuem Programm in der Arena Trier.

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