Tanz Entblößend, erregend und empfindsam

Trier · „Homo homini lupus“ schrieb der römische Dichter Plautus im 3. Jhr. v. Chr. Dieser Satz hat den Trierer Choreograph und Tänzer Saeed Hani Möller zu „Dem Menschen ein Wolf“ inspiriert – ein zeitkritisches, atemberaubendes, aber feinsinniges Tanzspektakel.

 Der Mensch ist dem Mensch fremd und kämpft gegen ihn.

Der Mensch ist dem Mensch fremd und kämpft gegen ihn.

Foto: Mechthild Schneiders

Dieser Wolf ist ein Rassist. Er separiert die Menschen, will, dass sie sich hassen. Dieser Wolf will zerstören. Das Tier ist die Metapher in Saeed Hani Möllers Tanztheater „Dem Menschen ein Wolf“, unterstützt vom Verein Mensch mit Mensch, das seine Premiere in der ausverkauften Trierer Tufa feiert. Es ist das zweite Projekt des Trierer Tänzers und Choreographen, der aus Syrien geflüchtet ist. Möller hat seine persönlichen Erfahrungen mit ins Stück gepackt und will in seiner Produktion gegen Menschenfeindlichkeit tanzen.

Nicht nur deshalb ist das Projektteam fast schon global. Insgesamt sind 21 Nationen am Projekt beteiligt – neben dem internationalen Tanzensemble Studenten der Hochschule für Gestaltung Trier (Leitung Alexander Harry Morrison), die für das Bühnenbild verantwortlich zeichnen. Die stoffummantelten und schwarz-weiß bedruckten länglichen Gestänge sind multipel einsetzbar – als Versteck, Gefängnis und als Waffe.

„Die Idee ist durch die Geschichte Afrikas inspiriert“, sagt Möller. „Wir haben ihnen ihre Bodenschätze, ihre Tiere, alles genommen und Krankheiten und Armut gebracht. Der Mensch ist ein Wolf. Ich mache in dem Stück den Wolf zu einem Gott, den Rassismus zu etwas Großem, einer Art Religion.“ Und die Menschen beten ihn an, zelebrieren die Ausgrenzung. Deutlich wird das im kraftvollen, akrobatischen Tanz von Itxasai Mediavilla Jimenez.

Echt wirkt die Wolfmaske mit den langen Hörnern, die Möller trägt. Pascale Toniazzo (Metz) hat sie als eine Mischung aus Anubis, dem ägyptischen Totengott, und Chnum, dem Schöpfergott, gebildet. Während der Wolf verhüllt ist, tanzen die Menschen meist komplett nackt – ihm schutzlos ausgeliefert. Die sechs Tänzer beeindrucken die gut 150 Zuschauer mit ihrem ausdrucksstarken Tanz.

Zu Beginn erhebt sich der Wolf über dem Menschen, gebiert Adam (Eduardo Ramírez Ehlinger), erschafft Eva (Zappa). Die ersten Menschen beschnuppern sich zu biblischen Versen, lernen sich kennen und lieben, werden eins, erkunden die Welt – bis der Wolf sie zu Trommelklängen aus dem Paradies verjagt. Die Musik zur ersten Szene hat Jakob Schumo eigens für Möllers Projekt komponiert.

Plötzlich wehrt sich die Gefangene, bewegt sich unter der Folie, zerreißt sie, arbeitet sich heraus wie ein Küken, das aus dem Ei schlüpft. Und genauso wird sie in die Welt gestoßen. Eine fremde Welt, gegen die sie sich aufbäumt – schrille Musik und Schreie begleiten die hektischen Abwehrbewegungen. Eine Welt voller Fremder, die sie anstarren, anfassen: die Hände, die Haare, den Mund, den ganzen Körper. Und die sie abstoßen.

Auch eine weitere Fremde (Anna Schneider) wird erst ausgeschlossen. Bis sich die Menschheit ihrer eigenen Macht besinnt. Gemeinsam befreien sie die Erde von dem destruktiven Gott – der Rassismus stirbt.

 Szene aus "Dem Menschen ein Wolf" von und mit Saeed Hani Möller.

Szene aus "Dem Menschen ein Wolf" von und mit Saeed Hani Möller.

Foto: Mechthild Schneiders

Weitere Termine: 1. und 2. Dezember, 19.30 Uhr, Tufa Trier.

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