Fest im Sattel für die Selbstständigkeit

Ulmen · 45 Menschen betreut der Ambulante Dienst St. Martin mit Sitz in Ulmen, darunter auch Menschen aus dem Vulkaneifelkreis. Unterstützt werden Menschen mit Behinderungen, damit sie weitgehend selbstständig ihr Leben gestalten können.

 Reiten auf geschulten Therapiepferden in Leienkaul mit Nadine May (links) ist bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Foto: Brigitte Meier

Reiten auf geschulten Therapiepferden in Leienkaul mit Nadine May (links) ist bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Foto: Brigitte Meier

Ulmen. Kegeln, Schwimmen, Reiten oder Plätzchen backen: Es gibt jede Menge Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und damit dem Alltagseinerlei und der Einsamkeit zu entkommen. Manchmal jedoch steht ein Handicap dem Wunsch nach Abwechslung im Wege. Die Ambulanten Dienste St. Martin bieten Menschen mit Behinderungen seit 1998 Hilfen an, sowohl für die Freizeitgestaltung als auch zur Bewältigung des Alltags.
Derzeit betreut der Ambulante Dienst St. Martin mit Sitz im Eifel-Maar-Park in Ulmen etwa 45 Personen im Kreis Cochem-Zell und im benachbarten Kreis Vulkaneifel, darunter rund 15 Kinder. Bereichsleiterin Vera Simon koordiniert den Einsatz eines etwa 15-köpfigen Teams und einiger pädagogisch erfahrener Hilfskräfte. Sie unterstützen Menschen mit Behinderungen, damit diese weitgehend selbstständig in ihren eigenen Wohnungen leben können. Außerdem gehören zum Team Integrationshelfer für acht Schulkinder.
Heilpädagogin Barbara Proffen-Nehring berichtet von ihrer Arbeit mit einem jungen Ehepaar, das sie an drei Tagen der Woche besucht. Unterstützt wird die Fachfrau einen Tag von einer Verwandten des Paars, das die erwünschte Selbstständigkeit nur mit ständiger Betreuung leben kann. Immer wieder üben sie gemeinsam Schritt für Schritt Einkaufen, Essen zubereiten, Wäschepflege und Wohnungsputz. "Es braucht viel Geduld und zahlreiche Gespräche, um Vertrauen aufzubauen. Es geht manchmal um sehr persönliche Dinge", erklärt Barbara Proffen-Nehring.
Manche Menschen mit Handicap haben ihren Haushalt problemlos im Griff, drohen aber zu vereinsamen, erklärt Josef Königs, pädagogischer Leiter bei St. Martin in Ulmen: "Diese Personen brauchen Hilfe, soziale Kontakte herzustellen und zu pflegen." Andere können nur mit Begleitung an Ausflügen teilnehmen oder kulturelle und sportliche Veranstaltungen besuchen. Die Integrationshelfer begleiten die Schüler beim Lernen, wobei der Umfang ihres Einsatzes von der Art und vom Grad der Behinderung abhängt.
Der Kontakt zwischen Klienten und dem Ambulanten Dienst kommt entweder zustande, weil sie selbst oder Angehörige um Unterstützung bitten oder auch, weil sie sich über Kindergarten oder Schule melden. Zudem besteht ein Kooperationsvertrag mit den Ambulanten Hilfezentren der Caritas, die bei Bedarf die Hilfe des Ambulanten Diensts vermitteln. Umgekehrt könnten die Mitarbeiter des Ambulanten Diensts bei ihren Klienten einen bislang nicht versorgten Pflegebedarf feststellen.
Im Erstgespräch mit den Klienten ermittelt Vera Simon Art und Umfang des Hilfsbedarfs im Alltag oder in der Freizeit, mögliche Förderungen und Entlastungen, die speziellen Wünsche, aber auch den zuständigen Kostenträger des Betroffenen. In den meisten Fällen kommt das persönliche Budget zum Einsatz, dessen Höhe durch den zuvor aufgestellten Teilhabeplan in einer Teilhabekonferenz festgelegt wird.
"Ambulant vor stationär" heißt die Devise auch bei Menschen mit Behinderungen. Josef Königs betont: "Das erfordert eine Neuorientierung und ein Umdenken für alle Kollegen." Der Sozialpädagoge verweist aber auch auf die Grenzen dieser Maßgabe der Sozialpolitik, denn: Eine Vorschrift lautet, dass die Geldleistung des persönlichen Budgets nicht höher sein soll als die Sachleistung in einem Heim. Königs berichtet von einer Heimbewohnerin: "Das ist sehr traurig, denn diese junge Frau ist kognitiv sehr gut in der Lage, ihr Leben selbst zu organisieren. Aber aufgrund ihrer körperlichen Behinderung braucht sie einen ganzen Mitarbeiterstab, der sich rund um die Uhr um sie kümmert. Bislang wurde ihr das persönliche Budget wegen der zu hohen Kosten nicht gewährt."

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