"Wir hatten uns eine Entscheidung erhofft" - Klage der Kommunen auf mehr Geld vom Land scheitert

Lünebach/Koblenz · Sie können Spielplätze nicht mehr sanieren und müssen für jede Anschaffung einen Kredit aufnehmen: Die meisten Kommunen in Rheinland-Pfalz sind pleite und hoch verschuldet. Doch der Verfassungsgerichtshof hat sie mit ihrer dringenden Klage und dem Versuch, schnell an mehr Geld vom Land zu kommen, wieder nach Hause geschickt. Nun droht ihnen der langatmige Weg über die Verwaltungsgerichte.

Lünebach/Koblenz. Würde man den Schuldenberg der Gemeinden und Landkreise, 6,5 Milliarden Euro, in Ein-Euro-Münzen aufeinanderstapeln, dann wäre dieser Turm mehr als 15 000 Kilometer hoch. Und würde eine Ameise mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde, die Wüstenameise Cataglyphis ist so flott, diesen Turm hochlaufen, dann bräuchte sie knapp sechs Monate, bis sie oben ankäme: Auch wenn man sagen kann, dass jeder Rheinland-Pfälzer allein dadurch pro Kopf mit 1629 Euro verschuldet ist, so ist doch jeder Versuch, das große Defizit in irgendeiner Weise greifbar zu machen, zum Scheitern verurteilt.

Dennoch kommen jährlich weitere 350 Millionen Euro dazu. Eine schwarze Null ist für die meisten Ortsgemeinden mittlerweile unerreichbar. Deshalb klagten die Verbandsgemeinde Arzfeld, der Landkreis Bernkastel-Wittlich und die Ortsgemeinde Lünebach (VG Arzfeld) gemeinsam mit weiteren Kommunen aus Rheinland-Pfalz gegen die Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs vor dem Verfassungsgerichtshof.
"Finanziell geht es uns sehr schlecht", sagt Albert Tautges, Ortsbürgermeister von Lünebach. Mit 1,5 Millionen Euro ist der 580-Einwohner-Ort inzwischen hoch verschuldet. Tautges: "Für jede Neuanschaffung müssen wir einen Kredit aufnehmen."

Mit ihrer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof in Koblenz wollten die Kommunen eigentlich nur die korrekte Umsetzung eines Urteils aus dem Jahr 2012 einfordern. Damals wurde das Land angesichts der stark gestiegenen Sozialausgaben der Kommunen, die stark belastet sind, verpflichtet, den kommunalen Finanzausgleich neu zu regeln. Tautges: "Unsere Pflichtausgaben wie für Kitas und den Brandschutz steigen ständig. Viele wichtige Dinge wie die Instandhaltung von Spielplätzen können nur noch ehrenamtlich gestemmt werden." Je nach Steuereinnahmen kassiert Lünebach vom Land etwa 35 000 Euro im Jahr. Tautges: "Aber um unsere Pflichtausgaben zu stemmen, bräuchten wir etwa 170 000 Euro mehr."

Selbst nach der vom Verfassungsgerichtshof geforderten Neufassung des Finanzausgleichs im Januar 2014 komme bei den Kommunen nicht mehr an, sagt Andreas Kruppert, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Arzfeld. Deswegen reichten die Kommunen im Frühjahr 2014 ihre Normenkontrollanträge vor dem Verfassungsgerichtshof ein - die nun abgewiesen wurden. Thomas Stahnecker, Medienreferent des Verfassungsgerichtshofs, erklärt: "Mit dem direkten Gang zum Verfassungsgerichtshof haben die Kommunen formell den falschen Weg eingeschlagen."
Zunächst müsse der Fall in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht entschieden werden. Stahnecker: "Damit wollen die Richter sicherstellen, dass die tatsächliche finanzielle Situation der klagenden Kommunen bereits geprüft ist, bevor der Fall beim Verfassungsgericht landet." Doch die Kommunen, die solch eine Entscheidung von Anfang an einkalkuliert haben, fuhren bereits vorsorglich zweigleisig.

Kruppert: "Die Klage gegen die konkreten Zuwendungsbescheide hatten wir im Frühjahr 2014 parallel beim Verwaltungsgericht eingereicht. Da hat sich aber noch nichts getan." Thomas Rätz, Referent des Gemeinde- und Städtebundes, ist von diesem zweiten Weg alles andere als begeistert. "Der kann sehr lange dauern - bis zu fünf Jahre - und endet früher oder später sowieso wieder beim Verfassungsgerichtshof. Deshalb hatten wir uns bereits jetzt eine Entscheidung erhofft."

Für Kruppert ist der Entscheid des Verfassungsgerichtshofs nichts anderes als der Versuch, das Problem auf die lange Bank zu schieben. Kruppert: "Aber die klammen Kommunen haben diese Zeit nicht." Der kommunale Finanzausgleich sei für sie von existenzieller Bedeutung. Deshalb müsse der Fall ohne Umwege direkt vom Verfassungsgerichtshof geklärt werden. Kruppert: "In den Ortsgemeinden entsteht mittlerweile der Eindruck, das Land wolle sie ausbluten lassen." Rätz: "Wir hoffen dennoch, dass die Landesregierung von sich aus mehr Geld für die Kommunen in den Haushalt für 2016 einplant."Meinung

Die Decke ist zu kurz
Keine Frage: Die Kommunen brauchen dringend mehr Geld. Doch das Land hat nichts zu verschenken. Am Ende des Jahres 2014 waren das Land Rheinland-Pfalz und seine Kommunen zusammen mit 45,2 Milliarden Euro verschuldet. Kein Spielraum, um sich gegenüber den Kommunen großzügig zu erweisen. Die Decke - an der von jeder Seite kräftig gezogen wird - ist zu kurz. Entweder man erhöht die Einnahmen (Steuern) oder kürzt die Ausgabenseite - andere Lösungen gibt es in keiner finanziellen Krise - es sei denn, man will auf Pump leben. Doch mit solchen Slogans gewinnt man leider keine Wahl. Der Betrag 45,2 Milliarden Euro sollte Landespolitiker, oder solche, die es werden möchten, allerdings vor weiteren allzu süßen Wahlversprechen, die das Blaue vom Himmel verheißen, bewahren. Statt an allen Ecken Firlefanz zu finanzieren, sollte man sich im Landeshaushalt auf das Wesentliche beschränken und dazu gehört die finanzielle Ausstattung der Kommunen. c.moeris@volksfreund.deExtra

Aloysius Söhngen, Bürgermeister der VG Prüm, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes: "Mit dem Urteil können wir nicht zufrieden sein, weil es zur Sache keine Aussage trifft. Vom Land fordern wir 300 Millionen Euro mehr im Jahr." Verena Bernardy, Pressesprecherin Landkreis Vulkaneifel: "Wir möchten ein Verfahren, an dem der Landkreis Vulkaneifel in keinster Weise beteiligt ist, nicht kommentieren." Matthias Pauly, Bürgermeister VG Gerolstein: "Ich gehe davon aus, dass die Klagen mehrerer Kommunen letztlich wieder beim Verfassungsgericht landen werden. Bis dahin bleibt zu hoffen, dass das Land bereit und in der Lage ist, mehr Haushaltsmittel zur Verbesserung der Kommunalfinanzen einzusetzen." Manuel Follmann, Pressesprecher Kreis Bernkastel-Wittlich: "Mit der Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof eine Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des kommunalen Finanzausgleichs nur vertagt. Das hilft weder den Kommunen noch dem Land." cmoExtra

Für 2015 stellte das Land den Kommunen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung. 2016 sollen es 2,6 Milliarden werden. Um annähernd kostendeckend arbeiten zu können, fordern die Kommunen 300 000 Millionen Euro mehr. cmo

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