Ärger wegen der Abwrack-Prämie

Heftige Proteste hat die Entscheidung von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ausgelöst, die Abwrack-Prämie bei Hartz IV-Beziehern mit dem Arbeitslosengeld II zu verrechnen, so dass dieser Personenkreis praktisch von der Begünstigung nichts hat. Anwälte kündigen Klagen an, und auch in der SPD selbst ist die Haltung des Arbeitsministeriums höchst umstritten.

Berlin. Holger End, arbeitsloser Offsetdrucker aus Leipzig, hatte einen Neuwagen für 5000 Euro kaufen wollen. Inklusive Abwrackprämie wäre das Fahrzeug 7500 Euro wert, genau so viel, wie er als Hartz-IV-Empfänger haben darf. Nicht ohne Grund zielen viele Hersteller mit entsprechenden Angeboten in ihrer Werbung auf diese Kundschaft.

Rechtsanwalt freut sich schon auf die Klagen



Doch muss End sein Vorhaben wohl begraben. "Ohne Auto bin ich überhaupt nicht mehr vermittelbar", klagt der 39-Jährige. Im Herbst ist es so weit, dann läuft der Tüv für seinen schrottreifen Mazda aus.

Rechtsanwalt Gerhard Rahn aus Dresden, der viele Hartz-IV-Empfänger vertritt, sagt, dass er sich schon auf die ersten Klagen freut. Rahn beruft sich auf das Sozialgesetzbuch II, in dem steht, dass "zweckbestimmte Einnahmen" nicht angerechnet werden. Und das sei die Abwrack-Prämie eindeutig, habe sie doch offiziell das Ziel, "die Verschrottung alter und den Absatz neuer Personenkraftwagen zu fördern". So steht es in den Richtlinien. Das Arbeitsministerium konterte gestern, die Abwrack-Prämie sei, das stehe ebenfalls im Sozialgesetzbuch, eine "Einnahme in Geldeswert", und wenn Rahn weiterlese, werde er finden, dass zweckbestimmte Einnahmen nur dann anrechnungsfrei blieben, wenn sie "die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass Leistungen nicht gerechtfertigt wären".

Doch Arbeitsminister Olaf Scholz wird diese Haltung nächste Woche wohl noch ausführlicher begründen müssen. Nachdem die Linkspartei den Sachverhalt mit einer kleinen Anfrage öffentlich gemacht hatte, regt sich jetzt auch in der SPD Widerstand. Fraktionsvize Elke Ferner sagte unserer Zeitung, die Position des Arbeitsministeriums möge sich zwar aus dem Gesetz herleiten lassen, "ich empfinde sie aber als unlogisch". Schließlich könnten die Empfänger über die 2500 Euro nicht frei als Einkommen verfügen, sondern müssten sie sogleich in ein neues Auto stecken. Außerdem gehe es darum, die Industrie anzukurbeln. Und drittens: Wieso werde die Abwrack-Prämie angerechnet, ein Rabatt des Autohändlers aber nicht? "Darüber müssen wir noch mal ernsthaft reden." Ferner will das Thema nächste Woche in der Fraktion auf die Tagesordnung bringen.

"Rechtsinterpretation von Ministerialbeamten"



Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sagte, die Hartz-IV-Empfänger seien doch genau diejenigen, um die es bei einem solchen Zuschuss gehe. Die Rechtsinterpretation sei offenbar von Beamten im Arbeitsministerium vorgenommen worden. "Das ist bürokratisch und unpolitisch." Eine ökonomisch sinnvolle Maßnahme werde in eine sozial unsinnige verwandelt. In der Debatte dürfte eine Rolle spielen, dass Umweltminister Sigmar Gabriel gerade eine Art Abwrack-Prämie für alte Kühlschränke plant, und zwar gezielt für Hartz-IV-Bezieher. Wer ein energieeffizientes Gerät anschafft, soll 150 Euro Differenzkosten dazu bekommen - ohne Anrechnung auf die Grundsicherung. Ebenfalls nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird der beschlossene Kinderbonus von 100 Euro. Das, verteidigt sich das Arbeitsministerium, sei eine "politische Entscheidung" der Koalitionsspitzen gewesen. Gut möglich, dass eine solche jetzt auch bei der Abwrack-Prämie fällt.

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