Porsche-Chef Favorit für den VW-Spitzenjob

Wolfsburg · Volkswagens Abgas-Skandal zieht immer weitere Kreise. Was viele vermuteten, bestätigt sich jetzt: Auch Europa ist betroffen. Während sich in den USA ein Klage-Sturm zusammenbraut, sucht der Aufsichtsrat einen Nachfolger für VW-Chef Winterkorn. Es gibt weitere Rücktritte.

Wolfsburg. Die schwere Vertrauenskrise wegen des Abgas-Skandals kostet nach VW-Chef Martin Winterkorn weitere Spitzenmanager den Job. Bei den Töchtern Porsche und Audi müssen der für Forschung zuständige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg gehen.
Im Stühlerücken beim VW-Konzern hat der bisherige Porsche-Chef Matthias Müller die besten Chancen auf die Nachfolge von Martin Winterkorn an der Spitze von Europas größtem Autobauer. Die Entscheidung für den 62-jährigen Müller solle heute bei der Sitzung des VW-Aufsichtsrats in Wolfsburg fallen, hieß es aus Konzernkreisen.Auch Konzerntöchter betroffen


Weiteren Berichten zufolge rollt auf VW in den USA und in Kanada eine Flut von Sammelklagen zu. Nach ersten Gesprächen der Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministeriums mit VW teilte Minister Alexander Dobrindt (CSU) mit, dass auch in Europa VW-Dieselmotoren manipulierte Abgaswerte aufweisen.
Von den Problemen bei VW sind neben Audi weitere Töchter betroffen. Innerhalb des Konzerns teilen sich die Unternehmen etliche Bauteile, darunter auch Motoren und Getriebe. Ein Sprecher von Skoda bestätigte, Modelle der Reihen Fabia, Roomster, Octavia und Superb aus den Jahren 2009 bis 2013 seien teilweise mit den betroffenen Motoren ausgerüstet worden. Bei aktuellen Modellen gebe es keine Probleme.
Volkswagen hatte bereits eingeräumt, dass es bei insgesamt rund elf Millionen Fahrzeugen weltweit "Abweichungen" gebe. Eine genaue und vollständige Liste der betroffenen Modelle gibt es jedoch noch nicht.
Die Konkurrenten BMW und Daimler bekräftigten, eine weiße Weste zu haben. "Grundsätzlich gilt: Bei der BMW Group wird nicht manipuliert", hieß es vom Münchner Hersteller. Auch ein Daimler-Sprecher betonte, es seien keinerlei Manipulationen an den Fahrzeugen des Konzerns vorgenommen worden.
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte als Konsequenz aus dem Skandal eine grundlegende Überholung der Unternehmenskultur. "Wir brauchen für die Zukunft ein Klima, in dem Probleme nicht versteckt, sondern offen an Vorgesetzte kommuniziert werden. Wir brauchen eine Kultur, in der man mit seinem Vorgesetzten um den besten Weg streiten kann und darf", betonte er in einem Schreiben an die VW-Mitarbeiter, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag.
Als VW-Chef komme nur "eine Persönlichkeit mit großem technischen und unternehmerischen Sachverstand und gleichzeitig großer sozialer Kompetenz" infrage. Am Freitag will der Aufsichtsrat über einen Nachfolger beraten.
Der Skandal brachte eine ganze Industrie ins Zwielicht. Die Motoren wurden mit einer Software ausgestattet, die die Messung des Ausstoßes von Stickoxiden manipulierte. Klar ist, dass vier Reihen der Tochter Audi betroffen sind: Der Motor vom Typ EA 189 sei in Modellen des A1, A3, A4 und A6 verbaut worden, sagte ein Audi-Sprecher. Die genauen Baujahre und die Anzahl der Fahrzeuge könnten aber noch nicht genannt werden.Extra

Das Auto - der Exportschlager: Das Gütesiegel "Made in Germany" ist eng mit der Autoindustrie verknüpft. Bei den deutschen Warenausfuhren wird rund jeder sechste Euro durch VW, Daimler & Co. umgesetzt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren im vergangenen Jahr Fahrzeuge und Fahrzeugteile mit 202,6 Milliarden Euro und einem Anteil von 17,9 Prozent an den Gesamtexporten Deutschlands wichtigstes Exportgut. Ohne die Autoindustrie würde sich der deutsche Exportüberschuss weitgehend in Luft auflösen. Die Branche ist auch ein Jobmotor. Nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie arbeiteten 2014 im Schnitt 774 900 Beschäftigte in dem Bereich. Das waren knapp drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und der Trend hält offenbar an. Im Juli 2015 zählte der Verband sogar 797 000 Beschäftigte. Die Autoindustrie ist zugleich die forschungsstärkste Branche in Deutschland. 17,6 Milliarden wurden dort im vergangenen Jahr für Forschung und Entwicklung verausgabt. 93 000 Mitarbeiter sind mit automobilen Innovationen beschäftigt. vet

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