Goldener Turn-Jahrgang entfacht Kampf um WM-Plätze

Berlin (dpa) · Fabian Hambüchen sah die glorreichen Siege mit einem lachenden und einem weinenden Auge, der Cheftrainer rieb sich die Hände: Nach dem Höhenflug des „Goldenen Jahrgangs“ bei den Europameisterschaften ist der Konkurrenzkampf im deutschen Turn-Team neu entfacht.

„Fabian wird voller Ehrgeiz trainieren und richtig gut sein, wenn er zurückkommt. Und ich will ihm da Paroli bieten“, sagte der neue Mehrkampf-König Philipp Boy, der in Berlin den an der Achillessehne operierten Hambüchen beerbte.

Sein Kumpel Marcel Nguyen ist nach seinem „Gold-Barren“ von Berlin nun der dritte Gold-Turner des Jahrgangs 1987, zu dem neben Hambüchen auch Ringe-Finalist Thomas Taranu gehört. „Eben ein guter Jahrgang, oder?“, meinte Boy nach seiner Silbermedaille am Reck, an dem er seinen insgesamt dritten EM-Titel zum Abschluss nur haarscharf verpasste.

Der Lausitzer „Sonny-Boy“ freut sich schon auf die Konkurrenz durch seinen alten Rivalen Hambüchen. „Das kann nur gut sein auf dem Weg zur WM, da pushen wir uns wieder gegenseitig. Bei der WM wollen wir als Team wieder ganz stark sein und die Olympia-Tickets im ersten Anlauf holen.“ Dazu ist beim Welt-Championat - um eine Verlegung aus Tokio wird wegen der Reaktor-Katastrophe derzeit hinter den Kulissen gerungen - der achte Platz nötig, um den im Moment niemand bange sein muss. Im Gegenteil: Mit einem genesenen Hambüchen und dem Rückkehrer Matthias Fahrig, der wegen Bundeswehr und Zahn-Operation in Berlin fehlte, sollten die Deutschen sogar den bisher unerreichbaren Chinesen und Japanern enger auf die Pelle rücken können.

Fast unbemerkt vom Publikum hatte es in Berlin vor der Halle auf dem Weg zur Busabfahrtsstelle eine faire Umarmung zwischen Hambüchen und Boy gegeben. Bereits beim Ball des Sports in Baden-Baden hatten sich beide Streithähne ausgesprochen und offiziell die „Kindergarten-Attacken“ beiseitegelegt. „Eine solche Leistung wie von Philipp nimmt mir ein wenig den Druck. Ich hätte mich aber auch gleichermaßen über einen Sieg von Marcel im Sechskampf gefreut“, meinte Hambüchen, der nun aber erst einmal verlorenes Terrain aufholen muss.

Während sich Cheftrainer Andreas Hirsch ob der immer stärkeren Konkurrenz auf absolutem Weltniveau nur erfreut die Hände reiben kann, prophezeit Sportdirektor Wolfgang Willam schon eine „heiße Schlacht“ um die WM-Plätze. „Die neue Olympia-Regel mit nur noch fünf Turnern pro Land wird den Kampf um die Tickets noch einmal verschärfen“, sagte Willam, der nicht „im Traum“ an so ein Ergebnis wie in Berlin mit sieben deutschen Medaillen gedacht hätte.

Überrascht hätten ihn aber dabei nicht die goldenen Männer, sondern die Frauen, die ihre Durststrecke nun wohl hinter sich gebracht haben und wieder im Konzert der Großen mitspielen. „Unsere Devise heißt jetzt Tannenbaum statt Kienbaum. Plötzlich sehen wir wieder Chancen, die Olympia-Tickets schon im ersten Anlauf zu schaffen und uns somit das Trainingslager zu Weihnachten und dem Jahreswechsel in Kienbaum zu sparen“, erklärte Willam.

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