751 Abgeordnete kommen ins Europäische Parlament

Brüssel · Der Countdown für die Europawahl läuft: 400 Millionen Bürger sind in gut vier Wochen EU-weit aufgerufen, zum achten Mal seit 1979 das Europäische Parlament direkt zu wählen. Die Abgeordneten entscheiden über alle wichtigen Gesetze mit, die aus Brüssel kommen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Abstimmung Ende Mai.

 Hier wird über die gemeinsame Politik der EU-Staaten debattiert: Blick ins Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg. Archiv-Foto: dpa

Hier wird über die gemeinsame Politik der EU-Staaten debattiert: Blick ins Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg. Archiv-Foto: dpa

Wann wird gewählt?
Die Wahlen finden in allen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zwischen dem 22. und 25. Mai statt. Der Termin für die 63 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland ist am Sonntag, 25. Mai, und zwar von 8 bis 18 Uhr. Erst dann werden - im Lauf des Abends - auch die europaweiten Ergebnisse veröffentlicht.

Hat meine Stimme Einfluss auf die Anzahl der deutschen Abgeordneten in Straßburg?
Nein. Das neue EU-Parlament wird nach der Wahl insgesamt 751 Abgeordnete aus 28 Ländern haben - darunter 96 deutsche. Die Zahlen sind von den EU-Staaten festgelegt worden. Die Bundesbürger entscheiden also nur über die Verteilung der Sitze zwischen den Parteien.

Welche Parteien kann ich wählen?
Zur Wahl stehen in Deutschland 25 Parteien und 1053 Kandidaten - darunter neben den etablierten Kräften CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP auch extreme, populistische und Nischen-Parteien wie die Tierschutzpartei, die Partei Bibeltreuer Christen, die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) oder die als rechtsextrem eingestufte Partei Pro NRW.

Wie viele Stimmen sind für einen Sitz nötig?
Da das Bundesverfassungsgericht nach der 5-Prozent-Klausel auch eine Drei-Prozent-Sperrklausel für die Europawahl verworfen hat, sind deutlich weniger als ein Prozent der Stimmen für ein Mandat erforderlich.

Was bedeutet das für das Ergebnis?
Es werden mehr Parteien aus Deutschland als bisher ins Europaparlament einziehen - auf Kosten der etablierten Kräfte. Hätte es bereits beim Urnengang 2009 keine Sperrklausel gegeben, wären neben den sechs erfolgreichen Parteien (CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke) weitere sieben mit insgesamt acht Abgeordneten ins Europaparlament eingezogen. Dazu gehören etwa die Freien Wähler mit zwei Sitzen sowie die rechtsextremen Republikaner, die ÖDP und die Familienpartei mit jeweils einem Sitz.

Wer sitzt denn derzeit für Deutschland im Europaparlament?
Bei der Wahl 2009 erhielt die CDU/CSU 42 Sitze, die SPD 23 Sitze. Die Grünen kamen auf 14 Sitze, die FDP erhielt 12 und die Linke 8 Mandate. Insgesamt sind im EU-Parlament bisher mehr als 160 Parteien aus 28 Staaten in sieben Fraktionen organisiert. Die christlich-konservative EVP - zu der CDU und CSU gehören - bildet mit 274 Vertretern die stärkste Kraft vor den Sozialdemokraten der S&D, zu der die SPD gehört (195).

Wieso habe ich nur eine Stimme?
Die Europawahlen sind reine Verhältniswahlen. Anders als bei der Bundestagswahl gibt es nur eine Stimme und keine Direktmandate. Jeder kann sein Kreuz bei einer Partei machen. Einzelkandidaten sind nicht wählbar, sondern nur starre Listen, die Delegierte festgelegt haben. Der Grund: In der EU-Volksvertretung geht es nicht darum, klare Mehrheiten für eine Regierung zu finden. Die politischen Verhältnisse in den Mitgliedsstaaten sollen abgebildet werden. Die CDU tritt mit Landeslisten an, die meisten anderen großen Parteien haben Bundeslisten aufgestellt.

Wie viel Macht haben die EU-Abgeordneten?
Das EU-Parlament hat über die Jahre stetig an Macht gewonnen und bestimmt nun über alle wichtigen EU-Gesetze mit: egal, ob es um das Brüsseler Milliardenbudget, die Deckelung der Bankerboni, die Abschaffung der Roaminggebühren bei Auslandstelefonaten oder die Kennzeichnung von Lebensmitteln geht. Auch bei der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten oder bei Verträgen mit Drittstaaten müssen die Abgeordneten gefragt werden. So kippten sie etwa den Swift-Vertrag mit den USA zur Übermittlung von Kontodaten im ersten Anlauf wegen mangelnder Datenschutzrechte.

Bei der Bundestagswahl bestimme ich mit, wer Kanzler wird. Kann ich bei der Europawahl beeinflussen, wer die EU führt?
Erstmals ja. Alle europäischen Parteien haben Spitzenkandidaten aufgestellt. Die europaweit stärkste Kraft soll den neuen EU-Kommissionspräsidenten - also den Chef von Europas Exekutive - stellen: alles läuft auf den konservativen Luxemburger Jean-Claude Juncker oder den deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz hinaus. Allerdings müssen sich die Staats- und Regierungschefs nach der Wahl mit Mehrheit auf einen Kandidatenvorschlag einigen. Die Person muss dann im EU-Parlament eine Mehrheit hinter sich versammeln. Gelingt das nicht, müssen die Hauptstädte einen alternativen Kandidaten vorschlagen. Überraschungen sind also möglich.

Und was ist mit dem deutschen Kommissar?
Für die Zusammensetzung des Kommissarskollegiums - also der Brüsseler "Minister-Mannschaft" - ist das Ergebnis der Europawahl unwichtig: Jede nationale Regierung bestimmt nach internen Macht- und Parteierwägungen, wen sie als Kommissar nach Brüssel schickt. Sollte SPD-Mann Martin Schulz Kommissionspräsident werden, steht Deutschland kein weiterer Platz in der EU-Exekutive zu. Fällt der Brüsseler Chefsessel an Jean-Claude Juncker, muss Bundeskanzlerin Angela Merkel entscheiden, ob sie einen CDU-Politiker in die Brüsseler Exekutive schickt (da ja die Union nach Umfragen die Europawahl in Deutschland vermutlich gewinnt) - oder SPD-Mann Martin Schulz. Für den ersten Fall hat der amtierende deutsche Kommissar, Günther Oettinger (CDU), gute Chancen auf eine zweite Amtszeit. Er hat sich in den vergangenen fünf Jahren mit Sachkenntnis und politischem Gespür als Chef des Energieressorts eine starke Position erarbeitet.

Umfragen sagen Anti-EU-Parteien, Populisten und Extremisten große Zuwächse voraus. Ist die Handlungsfähigkeit des neues EU-Parlaments in Gefahr?
Nein, das wohl nicht. Sollten die Ränder links und rechts tatsächlich bis zu einem Viertel der 751 Sitze erobern, dürften die pro-europäischen Parteien der Mitte noch enger als bisher zusammenrücken und de facto eine informelle große Koalition bilden, um nicht auf Europakritiker zur Mehrheitsbeschaffung angewiesen zu sein. Dennoch: schaffen es die Rechtspopulisten um den Niederländer Geert Wilders (PVV) und die Französin Marine Le Pen (Front National) tatsächlich, eine Fraktion im neuen Parlament zu bilden, hätten sie Anspruch auf Geld, Posten und Redezeit, was bisher nicht der Fall ist. Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus sieben EU-Ländern nötig. Derzeit sitzen 33 fraktionslose Abgeordnete im EU-Parlament - darunter die meisten Rechtsextremen. Hinzu kommen zwei Fraktionen von EU-Skeptikern: die ECR (Europäische Konservative und Reformisten) hat 57 Sitze - dazu zählen etwa die britischen Tories und Forza Italia. Die EFD (Europa der Freiheit und Demokratie) zählt 31 Abgeordnete. Führend darin ist die Anti-EU-Partei Ukip, die Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union betreibt. Auch die Lega Nord gehört dazu. Beide werden bei der Mehrheitsbildung von den großen Fraktionen der Mitte weitgehend außen vor gelassen.Extra

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