Wie Trier mit Meerblick

Ein berühmtes Stadttor, ein Amphitheater, ein Dom, ein Museum mit antiken Ausgrabungen, eine römische Weinstraße - die erste Blüte unter Kaiser Augustus,heute besucht von "Milljunen" Touristen aus aller Herren Länder. Ganz klar: Trier. Und als Zugabe: ein Seehafen, Meerblick, venezianische Hinterlassenschaften, italienisches Flair, eine mittelalterliche Festung hoch oben auf dem höchsten Hügel. Trier? Nein, aber seit 1971 Partnerstadt von Augusta Treverorum: Pula, die größte Stadt Istriens, am Südzipfel der touristisch voll erschlossenen Halbinsel, die seit den Balkan-Kriegen zu Kroatien gehört.

Was die Porta Nigra für Trier, ist in Pula der Triumphbogen, die Schwester der Simeonstraße heißt Via Flavia, Bruder des Marktplatzes ist das Forum (Trg Republice) mit dem Augustustempel und dem Rathaus. Die Stadtgeschichte Pulas geht aber noch weiter zurück als die von Trier. Zwischen Argonauten und Parkplatzsuche

Schon die von Homer in der Aeneis verewigten gemacht Argonauten sollen in Pula Station gemacht haben. Tausend Jahre, ehe die Römer die Bedeutung des Hafens erkannten und Pula zu Kaiser Augustus' Zeiten seinen noch heute währenden Glanz bescherten. Hauptanziehungspunkt ist das 130 x 100 Meter große Amphitheater am Rande der römischen Stadtgrenzen. Wie in Trier jubelten 20 000 Zuschauer, wenn der Gladiator seinen Kontrahenten oder einen Löwen besiegte. 33 Meter hoch sind die arkadenförmigen Außenmauern dieses drittgrößten je gebauten Amphitheaters, das heute noch Platz für 5000 Zuschauer auf nummerierten kalksteinernen Plätzen bietet. Und wie die Schwester an der Mosel verstehen es die Pulaner, im Theater. Zwar gibt es noch kein "Brot und Spiele", dafür aber - analog zu Trier - Konzerte, Theater- und Kino-Aufführungen. Und weil das Wetter an der istrischen Küste im Sommer recht regenarm ist, ließ es sich auch Eros Ramazzotti im Juli nicht nehmen, unter freiem Himmel zu singen, was er in der Partnerstadt bekanntlich nicht tat. Dass ein italienischer Barde in Pula auftritt, kommt nicht von ungefähr: Der italienische Einfluss, vor allem der der Venezianer, ist überall spürbar: In der Architektur der Prachtstraßen, in der Sprache, im Charakter - viele Pulaner fühlen sich eher als Italiener denn als Kroaten, wenn auch der Nationalstolz nach der Selbstständigkeit 1995 und dem Balkan-Krieg, von dem Pula und Istrien gottlob verschont blieben, deutlich zugenommen hat. Viele Italiener, die noch nach dem zweiten Weltkrieg in Pula lebten, kehrten aufgrund des sozialistischen jugoslawischen Regimes unter Tito der Stadt den Rücken.

Schon anno 1150 stand Pula unter der Fahne Venedigs, was fast dazu geführt hätte, dass das Amphitheater dem Erdboden gleich gemacht worden wäre. Die Venezianer wollten das Stadtsymbol abtragen und in der Nähe ihrer Gondeln wieder aufbauen, was gerade noch verhindert werden konnte. In der Folgezeit konnte Pula - im zweiten Weltkrieg von Amerikanern aus deutscher Besatzung befreit - ein Lied von militärischen Auseinandersetzung singen. Mal griff Genua an, dann die Habsburger oder Österreich-Ungarn. Da half auch das von Venezianern errichtete Kastel, das eine herrliche Aussicht über Stadt und Meer bietet, wenig. Erst die K.u.K-Monarchie sorgte für einen sicheren (Kriegs)-Hafen und auch dafür, dass man in Pula Deutsch sprach - was die Kellner, Taxifahrer und Fremdenführer bis heute nicht verlernt haben.

Und wer versucht, mit dem Auto bis in den Stadtkern zu gelangen, fühlt sich auch wie in Klein-Neapel. Hupen, Drängeln, Stau, kein Parkplatz. Daher am besten das Auto in der Vorstadt abstellen - und sich nicht durch die sozialistischen Plattenbauten von einem Besuch der herrlichen Altstadt abschrecken lassen. Zu Fuß kann man die Sehenswürdigkeiten locker erreichen. Der Rundgang (auch geführt, in vielen Sprachen) beginnt und endet meist am Amphitheater, von dort geht es durch die Porta Gemina (das neben dem Triumphbogen schönste Stadttor) zum kleinen römischen Theater und den Hügel hinauf zur Festung. Auf der anderen Hügelseite passiert man ein Dominikanerkloster, ehe man das pittoreske, venezianische Forum mit dem Augustustempel betritt. Auf der Promenade gelangt man schließlich zum Dom und zum Hafen. Wer seinen Urlaub in Istrien verbringt, für den ist Pula immer eine Reise wert. Wer sich dem touristischen Trubel entziehen will, findet zwischen April und Juni oder im September und Oktober mehr Ruhe. Im Umland lohnt sich vor allem die Fahrt zu den Brijuni-Inseln, wo Ex-Staatschef Tito residierte und seine Staatsgäste empfing. Doch auch die Küstenstädte Porec, Rovinj und Piran (Slowenien) lohnen einen Tagesausflug. Sie verbreiten zwar weniger das römische, aber dafür venezianisches Flair. Und Meerblick hat man - im Gegensatz zu Trier - von überall. hpl/mar Björn Pazen

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