Der Vogel ist geschlüpft

TRIER. Das eigene Label ist der Traum eines jeden Modedesigners. Der gebürtige Birkenfelder Markus Ehrhard hat seinen Traum verwirklicht: das Label "Ornito" (altgriechisch für Vogel) ist geschlüpft.

Unerschrockenheit und Willensstärke - das sind die Zutaten inMarkus Ehrhards Erfolgsrezept. "Sich ernst nehmen, aber nicht zuwichtig", sagt er. Dabei macht der Perfektionist es sich nichtleicht. Design, Herstellung und Vertrieb seiner Anfertigungenliegen in seiner Hand. Und erst, wenn alles voll und ganz seinenVorstellungen entspricht, ist er zufrieden. Nach seinem Modedesign-Studium an der Trierer Fachhochschule sah alles nach einem Senkrechtstart aus. SeineDiplomarbeit "Die Sieben Todsünden" (der TV berichtete) überzeugte nicht nur die Professoren, sondern bescherte dem Jungdesigner auch gleich einen bundesweiten Förderpreis der Wilhelm-Lorch-Stiftung und den Fachhochschul-Förderpreis für die beste Diplomarbeit. In seiner ersten Anstellung in Frankfurt fühlte er sich jedoch überhaupt nicht wohl, orientierte sich neu.

Der neue Lebensabschnitt begann in London, einem der wichtigsten Mekkas für Modeschaffende. Markus Ehrhard bewarb sich mit einer Mappe, die auch Isabella Blow, Fashion Director des "Tatler" und "Time Magazines", in die Hände bekam. "Wenn der bei Escada gelernt und für Birkenstock Schuhe entworfen hat, dann kann er auch Taschen entwerfen", so seineFörderin.

Bei Ehrhards Vorbild Philip Treacy passte das Profil, und er wurde umgehend als Design-Assistent eingestellt. Mit nur einem einzigen Koffer undohne Zimmer in Aussicht war er in die Zehn-Millionen-Stadt gezogen. "Ich sollte Taschen für die Kaufhauskette ,Marks and Spencer\\\\' unter dem Label Philip Treacy entwerfen. Das hatte ich noch nie vorher gemacht und die ,Deadline\\\' war nur noch wenige Tage entfernt", erinnert er sich.

Hinzu kam, dass die fachliche Verständigung in englischer Sprache mit dem neuen Chef sich in den ersten Tagen alles andere als einfach gestaltete. Der Bezeichnung des Designers als "Kreativem" machte Ehrhard in der Not gegenseitigen Nicht-Verstehens mit einer praktischen Idee drei Tage vor dem Präsentationstermin bei "Marks and Spencer" dann alle Ehre.

Mit Papier, Schere und Kleber zum großen Erfolg

"Übers Wochenende hab ich mit Papier, Schere und Tesafilm 14 Taschen gefertigt." Mit einem riesigen Pappkarton voller Entwürfe war er zu seinem Chef ins Taxi gestiegen, der zu diesem Zeitpunkt den ersten Blick auf die Taschen warf, die er in ein paar Minuten präsentieren sollte.

Nicht nur Treacy, sondern auch die Verantwortlichen der Kaufhauskette waren begeistert: Statt der geplanten vier Modelle nahmen sie gleich alle 14 ins Sortiment, und schon nach zwei Wochen in den Geschäften war das erste Modell komplett ausverkauft.

Ehrhards Zeit in London war geprägt von Stress und Highlights. Er war an Design-Projekten für Burberry,Louis Vuitton und Alexander McQueen beteiligt, lernte Promis wie Sophie Dahl oder Boy George kennen.

Philip Treacy hat dem 31-Jährigen auch die Tür zur "Haute Couture", der Meisterdisziplin, geöffnet. Vor zwei Jahren hat Markus Ehrhard als rechte Hand des Meisters an seiner Show in Paris mitgearbeitet - drei Wochen lang Tag und Nacht. "Damals habe ich zum ersten Mal verstanden, was Couture überhaupt bedeutet. Es gibt keine Natürlichkeit, alles ist, unter Verwendung der besten und schönsten Materialien, auf die Spitze getrieben", beschreibt er.

Seinem Londoner Mentor Treacy ist Markus Ehrhard dankbar für den "riesigen Vertrauensvorschuss", den er ihm gewährt hat. Kein Wunder, dass die beiden auch heute noch eng zusammen arbeiten. Für eine Couture-Show in Paris im Januar hat Ehrhard mit Treacy atemberaubende Hutkreationen aus Federn gezaubert, die von Top-Models wie Naomi Campbell über den Laufsteg getragen wurden. "Diese Show war mit Sicherheit einer der größten Meilensteine in meiner Karriere", sagt Ehrhard stolz. Nach einem Jahr London ist Ehrhard zum Batterien Aufladen nach Trier zurückgekehrt und hat erst mal als freiberuflicher Design-Consultant für die Marken Iris von Arnim und Braun Büffel Taschen-Kollektionen entworfen.

Christiane Horsch, Wirtschaftsdezernentin der Stadt Trier, ermutigte ihn, er solle sein eigenes Label gründen, was er dann unter dem Namen "Ornito" umsetzte. Über Philip Treacy fand er die Grundmaterialien für eine weitere Design-Leidenschaft: Federn. Die wundersamsten Kunstwerke schaffen Ehrhards Hände aus dem sensiblen Material. Der Laie kann meist erst in Kombination mit dem geschmückten Körper erkennen, wie und wo die Konstrukte überhaupt getragen werden. Kleider, Taschen aus den wertvollsten Materialien und Kopfbedeckungen aus Federn und Perlen entstehen unter den Ansprüchen der Haute Couture.

Die Ruhe nach dem Sturm in der Glitzerwelt findet Ehrhard beim Fliegenfischen. "Es geht mir nicht darum, den Fisch zu fangen, sondern um das Erleben der Natur als permanenten Lernprozess", erzählt er.

Fliegenfischen zum Relaxen

Aber auch beim Fliegenfischen bleibt das Designerhirn nicht ausgeschaltet - gleich eine ganze Anglerserie mit Reisetasche, Fliegen-Etui und Stiefelbox mit Sockenhalter ist aus dem Hobby entstanden. Die Angler-Accessoires aus der Serie "Ornito goes flyfishing" werden in Deutschland in Handarbeit aus gewachstem Leder gefertigt, sie sind wasserfest, griffig und funktional. Kaufen man die besonderen Stücke bisher bei "Tony van der Molen" in Echternach.

Trotz all des Glitzers, Glamours und Durch-die-Welt-Jettens hat Markus Ehrhard seinen Lebensmittelpunkt noch immer in Trier. "Hier habe ich eine unverwechselbare Lebensqualität und muss mich nicht jeden Tag aufs Neue verbiegen." Naomi Campbell im Arm zu halten, ist zwar ein Erlebnis, aber es lässt ihn nicht abheben. Im Alltag ist er wieder ganz er selbst. Sicher einer der Gründe, warum er zwar in London noch immer ein Bett, sein Studio aber in einer alten Öl-Mühle in Allenbach bei Idar-Oberstein eröffnet hat.

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