Karriere in der Warteschleife

Sie haben jahrelang die Hörsäle bevölkert, über ihren Lehrbüchern gesessen, viel Privates sausen lassen, zahlreiche Scheine gemacht und etliche Prüfungen über sich ergehen lassen. Nach der Uni soll sich die geleistete Arbeit endlich in barer Münze auszahlen. Doch nichts da: Der Umweg heißt Referendariat, Volontariat oder Praktisches Jahr. Eine Karriere in der Warteschleife…

Medizinstudent im Praktischen Jahr

Trier. Mit "Herr Doktor" wird Waldemar Dschaak des Öfteren angesprochen. Dabei ist der 32-Jährige noch gar kein "fertiger" Arzt, sondern absolviert am Brüderkrankenhaus in Trier sein Praktisches Jahr (PJ). Erst danach kann er sein Medizinstudium mit dem Staatsexamen beenden. Am Brüderkrankenhaus hospitiert er in drei Abteilungen: in der "Inneren", der Chirurgie und in seinem Wahlfach, der Orthopädie. Morgens um 7.20 Uhr geht es los, von 16 bis 18 Uhr gibt es Unterricht für die künftigen jungen Ärzte. Ein langer Tag - ob der sich am Ende des Monats auf Waldemars Konto bezahlt macht? "Nein", sagt der 32-Jährige mit einem etwas wehmütigen Lächeln. Einen kleinen Zuschuss fürs Essen und günstige Monatsmieten für das Zimmer im Gästehaus der Klinik, mehr gibt es nicht im PJ. Langsam sollen die PJler an ihre künftigen Aufgaben herangeführt werden: Patienten untersuchen, bei Operationen assistieren, Blut abnehmen, Zugänge legen, Fäden ziehen, Verbände machen sind ihre Hauptaufgaben. Bei letzterem hat Waldemar übrigens viel Erfahrung: Nach der mittleren Reife machte er eine Ausbildung zum Physiotherapeut. Erst danach entschloss er sich, Medizin zu studieren - ohne Abitur. "Arzt zu werden über den zweiten Bildungsweg ist selten", sagt er. Bis zum PJ hat er es schon geschafft auf dem Weg zu seinem Ziel, dem Facharzt für Orthopädie. Juristin im Rechtsreferendariat

"Da musst Du ja ganz viele Paragrafen auswendig lernen", eine typische Reaktion, wenn Jennifer Breitbach erzählt, was sie macht. Ihre Antwort ist immer die gleiche: "Dafür haben wir doch die Gesetze." Jennifer ist Rechtsreferendarin in Wittlich. Ein hartes Jura-Studium samt Erstem Staatsexamen liegt bereits hinter der 24-Jährigen. Doch um die Anwaltszulassung oder die Bestellung zum Richter oder Staatsanwalt zu bekommen, müssen Juristen zwei weitere Jahre und ein Zweites Staatsexamen dranhängen. "Als ich mit dem Studium angefangen habe, war mir nicht klar, dass das alles so lange dauert", sagt Jennifer. Richter war damals ihr Traum-Beruf, 80 Prozent der Juristen werden später aber als Rechtsanwalt in einer Kanzlei unterkommen. Doch so weit ist Jennifer noch lange nicht: Seit Mai ist sie im Referendariat, hat angefangen beim Zivilrichter am Amtsgericht und arbeitet derzeit in der Kreisverwaltung in Wittlich. Es folgen Stationen in der Staatsanwaltschaft und beim Rechtsanwalt. Einmal in der Woche muss sie zur Arbeitsgemeinschaft, ansonsten gibt es für Rechtsreferendare kaum feste Arbeitszeiten: Meist bekommen sie viele Akten aufgebrummt, die sie zu Hause bearbeiten. "Mir macht es Spaß", sagt Jennifer, "im Studium hat man oft Fälle bekommen, da dachte man: ,Das passiert doch in 100 Jahren nicht'." Jetzt lernt und arbeitet sie an realen Fällen - für 944 Euro brutto im Monat. Volontär beim Trierischen Volksfreund

"Volo" - die Kurzform für Volontariat - ist nicht gleich Volo. Während es für Referendare oder PJler festgelegte Ausbildungs-Vorschriften gibt, ist der Begriff Volontariat im Medienbereich nicht geschützt. Bewerber müssen daher genau darauf achten, was im Volo geboten wird. Das hat auch Manuel Kölker getan, bevor er sich für die Ausbildung zum Redakteur beim Trierischen Volksfreund entschieden hat. Für das Volo ist er aus Krefeld an die Mosel gezogen. Obwohl der 28-Jährige durch zahlreiche Praktika und langjährige freie Mitarbeit reichlich Erfahrung im Medienbereich gesammelt hatte, musste er nach seinem Master-Abschluss für Sozialwissenschaften an der Uni Düsseldorf einsehen, dass es ohne Volo nicht voran geht in Richtung Traumberuf "Redakteur bei einer Tageszeitung". Um die Stelle beim Trierischen Volksfreund zu ergattern, musste er sich in einem Assessment Center gegen andere Bewerber behaupten. Mit Erfolg. "Ich denke, dass man mit einem Volo zu einer gefragten Spezies gehört", sagt Manuel, "gerade wenn es bei einem renommierten Verlag gemacht wird." Zwei Jahre dauert die Ausbildung: Seiten gestalten, Artikel schreiben für verschiedene Ressorts wie Lokales, Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport sowie mehrere Monate in der Online-Redaktion gehören ebenso dazu wie interne und externe Seminare. So ist es im Tarifvertrag geregelt, genauso wie das Gehalt: 1687 Euro gibt's im ersten, 1955 Euro im zweiten Jahr.Referendarin im Lehramt

"Total nervös" war Verena Humbert, als sie das erste Mal alleine vor einer Klasse stand. Die Schüler hätten die Lehramtsreferendarin ganz schön auflaufen lassen können. Haben sie aber nicht. Alles lief glatt für die 27-Jährige, die seit Februar am Angela-Merici-Gymnasium in Trier ihr zweijähriges Referendariat im Lehramt macht. Deutsch und Geschichte sind ihre Fächer. "Man muss sich erst einmal freischwimmen", erinnert sich Verena an ihre erste Zeit an der Tafel. Sie hat schnell erkannt, dass die Uni nicht unbedingt darauf vorbereitet hatten, was vor einer Klasse erforderlich ist. Und an noch etwas musste sich die 27-Jährige erst mal gewöhnen: "Man wird eigentlich ständig beobachtet." Regelmäßig stehen neben den Unterrichtsbeobachtungen auch Lehrproben an. Daher ist Verenas Arbeitstag auch keineswegs nach Schulschluss beendet. Eine Zeitstunde, so schätzt sie, braucht sie, um eine Unterrichtsstunde vorzubereiten. Stehen Lehrproben an, kann es auch mal eine Woche dauern. Außerdem hat Verena Arbeiten zu korrigieren und Noten zu geben, und sie übernimmt einen Nachmittag in der Woche die Hausaufgaben-Betreuung und leitet eine Schülerzeitungs-AG. "Es wird nie langweilig", sagt sie, "aber eine stressige Zeit ist es allemal." Denn neben der Zeit an der Schule und den Vorbereitungen zu Hause gibt Verena noch zwei Mal in der Woche Seminare. Die 1000 Euro, die sie bekommt, sind also schwer verdientes Geld.

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