Mit allen Sinnen hören

"Wenn ich ein Wort nicht richtig verstehe, frage ich einfach nach." Das ist für Yannick Gastauer selbstverständlich. Der 14-Jährige besucht die siebte Klasse der Wilhelm-Hubert-Cüppers-Schule, Landesschule für Gehörlose und Schwerhörige, auf der Trimmelter Höhe in Trier.



Er ist einer von 146 Cüppers-Schülern zwischen sechs und 16 Jahren, die alle hörgeschädigt sind. 42 von ihnen besuchen nicht nur die Ganztagsschule, sondern leben auch im angegliederten Internat.

So auch Yannick. "Am Anfang war das eine große Umstellung", erinnert er sich. "In den ersten Wochen hatte ich starkes Heimweh." Die ganze Woche seine Eltern und seinen zwei Jahre älteren Bruder nicht mehr zu sehen, war für Yannick sehr schwer. Nur am Wochenende fahren die Internatsschüler nach Hause. Die Lösung fand sich aber nach einiger Zeit: Jeden zweiten Tag telefoniert Yannick mit seiner Familie. "Heute rufen sie wieder an", sagt er voller Vorfreude und strahlt.

Yannicks Familie lebt im saarländischen Merzig. Verhältnismäßig spät, erst während der Kindergartenzeit, wurde Yannicks Hörschaden festgestellt. Die Grundschulzeit verbrachte er in einer "Regelschule", wie er es nennt, einer ganz normalen Grundschule. Dort konnte er zwar dem Unterricht folgen, aber seine Noten ließen zu wünschen übrig. Die Lautstärke der 30 Kinder im Raum machte ihm zu schaffen. Er erinnert sich: "Alle haben mir immer so seltsam hinterher geguckt - wegen meiner beiden Hörgeräte."

Dies ist heute anders. Für seine Mitschüler ist das ganz selbstverständlich - sie tragen ja selber eins. Ab der fünften Klasse besuchte Yannick die Gehörlosen-Landesschule im saarländischen Lebach. Dort hätte er aber nur einen Hauptschulabschluss machen können. Da er sich in der Klasse mit nur fünf Mitschülern aber sehr gut entwickelte, wechselte er nach den Osterferien 2007 nach Trier. Hier strebt er nun einen Realschulabschluss an. "In der Schule komme ich gut zurecht", erzählt der 14-Jährige. Mathematik, Deutsch und Englisch seien seine Lieblingsfächer. Und wenn er mal ein Wort nicht verstehe, frage er eben nach. Diese "Taktiken" lernen er und seine Mitschüler: sich als Hörgeschädigter outen, offen nachfragen, der Situation angemessene Sätze erahnen. Was ihm im Gespräch kaum anzumerken ist: Yannick hört trotz der Geräte erst ab 75 Dezibel. Dies ist eine mittlere bis hohe Hörschädigung. Das Hörgerät gleicht seinen eigentlichen Hörverlust um rund 50 Prozent aus.

Doch in seinem Alltag beeinträchtige ihn das nur wenig. "Ich höre zum Beispiel auch gerne Musik", erzählt er. Am liebsten "Rammstein". In seiner Jungengruppe im Internat fühlt er sich mittlerweile auch sehr wohl. Frühstück, Mittag- und Abendessen nehmen sie gemeinsam ein. Dazu zählt natürlich auch, den Tisch abzuräumen. Das Internat soll familienergänzend sein. Manchmal fahren sie zusammen mit dem Bus in die Stadt, oft spielen sie Fußball auf dem weitläufigen Schulgelände.

Dienstagnachmittags nimmt Yannick auch noch an der Theater-AG teil. Am Samstag wird er beim Schulfest den Max aus "Max und Moritz" spielen. Dazu kommt auch seine Familie aus dem Saarland angereist. Yannick strahlt und sagt: "Ich freue mich darauf, meine Eltern hier zu sehen."

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