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Dämmerlicht. Harziger, verbrannter, leicht teeriger Geruch steigt in die Nase. Unter jedem Schritt gibt der weiche Boden unter den Füßen nach. Sachte steigen Nebelschwaden aus dem Sumpf empor, und hier und da stehlen sich einzelne Sonnenstrahlen durch spärliche Baumkronen.

Leise zirpt ein Insekt. Eine riesige Libelle hat sich auf einem modrigen Stamm niedergelassen und klappt sachte ihre Flügel auf und zu. Im Urwald-Dickicht ruht versteckt ein gigantischer Tausendfüßler, und ein paar Meter weiter tauchen Molche, Skorpione und Lurche in flachen Tümpeln. In diesem Sumpf, in dem Baumriesen, Farne und Schachtelhalme wuchern, entsteht langsam die Vorstufe der Steinkohle. Es ist das Zeitalter des Karbon (vor 360 bis 300 Millionen Jahren). In dessen tropisch-heißen und feuchten Klima wächst langsam, aber stetig ein mächtiges Kohlevorkommen.

Zeitsprung: 1848 wird die Grube Reden eröffnet. Mehr als ein Jahrhundert lang fördern Bergarbeiter Tonnen von Steinkohle aus dem Inneren der Erde. Reden ist eine der bedeutendsten Gruben des Saarbergbaus und die Hauptgrube im östlichen Saarrevier. Das Saarland lebt vom Kohleabbau. Doch im Jahr 1995 wird die Grube geschlossen. Die Zeit des Steinkohleabbaus im Saarland geht langsam zu Ende.

Dezember 2008: In Landsweiler-Reden wird der Gondwana-Park eröffnet. Auf dem Gelände der ehemaligen Grube erleben Besucher auf 4800 Quadratmetern 12,5 Milliarden Jahre Erdgeschichte vom Urknall bis zum Aussterben der Dinosaurier. Die Exkursion führt vom Präkambrium über das Silur und Devon, das Karbon, Perm, Trias, Jura bis hin zum Kreidezeitalter. Es ist eine Zeitreise, die Staunen macht. Wer diese Expedition in die Evolution in sich aufsaugt, dem schwirrt am Ende der Kopf voller Bilder und Eindrücke. "Schuld" daran sind Projektleiter Ulrich Baenfer und sein Team aus internationalen Wissenschaftlern, Experten, Künstlern, Architekten und Spezialfirmen. In einer Kombination aus natur-historischem Anspruch, Action und Erlebniswelt lassen sie eine Welt wiederauferstehen, wie sie vor Jahrmillionen ausgesehen haben könnte. 14 Millionen Euro kostete das. Für ihre verblüffenden lebensechten Effekte nutzten sie modernste Animationstechniken, raffinierte audio-visuelle Verfahren und lebten eine geradezu penible Liebe zum Detail aus. Die zeigt sich bereits in der Eingangshalle, wo ein 40 Meter langer und acht Meter hoher "Argentinosaurus huiculensis" auf die Häupter der Besucher herunterschaut - das größte Landtier, das jemals gelebt hat. Kurz dahinter schließen sich die Türen, und es wird dunkel. Aus Lärm und Licht entstehen die Erde, ihre Meere und ihre ersten Lebewesen, die Bakterien. So jedenfalls erzählt es der kurze Film im Kinosaal. Dann geht es weiter ins Präkambrium, wo sich der Mensch im UV-Licht der mikrobiellen Biosphäre sonnen kann. Ein Globus in jedem Raum - der rote Punkt markiert die Lage des Saarlandes - zeigt, wie sich in der langen Erdgeschichte die Kontinente verschoben haben. Die Reise durch die Erdgeschichte ist lang und abenteuerlich. Sie führt unter einem Korallen-Riff des Silurs hindurch, wo sich Ur-Haie, Fische und ein riesiger Tintenfisch-Urahne tummeln, vorbei am Devon zu einem Tümpel mit Riesen-Seeskorpionen und Pfeilschwanz-Krebsen und mitten hinein in den Urwald des Karbons. Von dort aus ist es nur ein kurzer Weg in die Wüstenschlucht des Perm, wo der Besucher in einem Wadi-Canyon angewurzelt stehenbleibt: Neben einem rückensegel-bewehrten Reptil (Dimetrodon) rauscht ein Wasserfall die Schlucht hinunter. "25 Kubikmeter Wasser", erklärt Ulrich Baenfer, aber: "Wir wollen die Menge aber noch auf 50 Kubik ausbauen."

Hinter den roten Felsen beginnt die Zeit der echten Dinosaurier. In der Trias hat sich die Tierwelt drastisch verändert. Hinter einem Baumstamm im Fluss liegt ein Rutiodon. Es sieht fast aus wie ein Krokodil, reißt wie ein solches sein Maul auf und peitscht mit seinem Schwanz das Wasser. Fast idyllisch mutet da die Lagune im Jurazeitalter an. Doch wer genau hinschaut, entdeckt die vielen toten Tiere, die in dem giftigen Wasser umgekommen sind, und heißt die Unterkreidezeit willkommen, die den Besucher kühl umfängt.

Die Winterlandschaft leuchtet bläulich, drei kleine Dinosaurier halten Winterschlaf. Sachte geht ihr Atem. Präparierte Schädel von Tyrannosaurus Rex, Diaboloceratops und Mosasaurus lotsen den Besucher durch die Oberkreidezeit. Und dort steht er in einer Waldschlucht, imposant und furchteinflößend: Tyrannosaurus Rex. Gerade hat er einen Triceratops gerissen und tut sich an dessen Fleisch gütlich. Sein Fauchen und Knurren lassen das Blut in den Adern gefrieren. "1,5 Tonnen schwer ist das Modell der japanischen Firma Kokoro, die übrigens alle Urzeit-Tiere modelliert hat", sagt Projektleiter Baenfer. Nach dieser Szene schließen sich wieder die Türen, und wieder wird es dunkel. Ausgerüstet mit 3-D-Brillen erlebt der Forschungsreisende sein letztes Abenteuer, mittendrin im Leben der letzten Dinosaurier von Patagonien und dem Ende der Giganten.

Das soll aber nicht so bleiben. Geht es nach Ulrich Baenfer, so soll es bereits im Herbst 2010 weitergehen. "Bis hin zur Entstehung des Menschen wollen wir Gondwana noch ausbauen. Wir denken da an Neandertaler, die in ihrer Höhle um ein Feuer sitzen." Und auch ein Spielplatz mit Dinocharakter für das Außengelände ist in Planung. So lange der aber noch nicht steht, können sich Familien quasi nebenan auf den Abraumhalden als Forscher betätigen. Die Schiefersteine verbergen im Innersten wahre Schätze. Man muss sie nur knacken. Verona Kerl

Info

Geöffnet: täglich von 10 bis 19 Uhr, Telefon: 06821/931631-0, info@gondwana-praehistorium.de; www.gondwana-praehistorium.de; Erwachsene: 15 Euro, Kinder ab 4 Jahren: 10 Euro. Führung empfehlenswert. Anfahrt: A 8, Abfahrt Neunkirchen-City, auf der B 41 der Beschilderung Richtung Ottweiler/St. Wendel folgen. Ab dem Kreisverkehr Sinnerthal Richtung Landsweiler fahren. Für die Routenplanung über das Navigationssystem bitte den Ortsteil Landsweiler-Reden, Bildstockstraße eingeben.

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