"Die Bauern müssen brutal den Markt lernen"

"Bauer sucht Frau" bringt Quote im Privatfernsehen. Doch Bauern suchen vor allem eines: Nachfolger für ihre Höfe, um ihren Berufs stand in Deutschland und Europa nicht aussterben zu lassen. Die Region Trier mit ihren im Vergleich zu anderen deutschen Land schaften sehr kleinteiligen Höfen ist im Wettbewerb besonders benachteiligt.

Haben für ihren Betrieb die Auszeichnung "Urlaubshof des Jahres" erhalten: Landwirt Markus Feinen mit Ehefrau Carmen Feinen sowie dem Kindern Fiona und Maximilian mit Schaf Tommy

Haben für ihren Betrieb die Auszeichnung "Urlaubshof des Jahres" erhalten: Landwirt Markus Feinen mit Ehefrau Carmen Feinen sowie dem Kindern Fiona und Maximilian mit Schaf Tommy

Foto: Stefanie Glandien

Es gibt sie noch, die kleinen Paradiese auf dem Land: Auf dem Hof Feinen in Fleringen, einem Dorf zwischen Gerolstein und Prüm, blöken Eifeler Fuchsschafe, muhen Glanrinder, grunzen Sattelschweine, schnattern Leinegänse und mümmeln handzahme Kaninchen. Eine junge Bauernfamilie mit zwei kleinen Kindern präsentiert diese Idylle interessierten Feriengästen, die zumeist aus Ballungsräumen kommen und das Landleben bestaunen.

Dass dies alles andere als typisch ist für die Situation der Landwirte, dürften die Urlauber ahnen oder auch konkret erfahren. Denn sie besuchen einen vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium soeben als "Urlaubshof des Jahres" ausgezeichneten Arche-Betrieb für die Erhaltungszucht vom Aussterben bedrohter Haustierrassen. Die einst auf dem Hof Feinen dominierende konventionelle Schweinemast mit 800 Tieren ist längst Vergangenheit, statt des strengen Stallgeruchs gibt es Unterkünfte auf Fünf-Sterne-Niveau.

Was für den Hof Feinen eine gut funktionierende Nische ist, kann allerdings kein Zukunftsmodell für die gesamte Landwirtschaft sein. Das erklärte Ziel der meisten Bauern ist es, eine Landwirtschaft zu erhalten, die vor allem die benötigten Lebensmittel für die Menschen produziert. Ralf Wey, Inhaber eines eigenen Agrarbetriebs in Moselsürsch (Kreis Mayen-Koblenz), ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Rheinland-Pfalz/Saarland (ABL) und erläutert aus seiner Sicht die Ambivalenz der Branche: "Eigentlich haben wir in Deutschland sehr gute Voraussetzungen, um auch in Zukunft bäuerliche Betriebe zu haben und Nachwuchs für den Beruf zu begeistern: Die Ausbildung ist hervorragend, Klima und Böden sind großteils bestens geeignet, die Infrastruktur stimmt und auch die Vertriebs- und Absatzwege für landwirtschaftliche Produkte sind gut ausgebaut", erläutert er die gewöhnlich guten Prämissen. "Aber die Politik hängt uns an den Tropf des Weltmarkts. Wir sollen uns am Export orientieren und nicht am Bedarf der Bevölkerung im Land. Mit dieser Ausrichtung ist eine höhere Wertschöpfung für die Betriebe nicht möglich." Daher sei der Beruf unattraktiv geworden, sagt Wey.

Sein Verband sehe Zukunftschancen in der Rückeroberung verloren gegangener regionaler Absatzmärkte. "Das klingt vielleicht zunächst wie eine Rolle rückwärts. Aber ich bin überzeugt: Darin liegen gute Perspektiven. Denn immer mehr Verbraucher wollen, dass ihre Lebensmittel sicher sind, dass die Erzeugung für sie nachvollziehbar ist und auch, dass unsere relativ kleinteilige Kulturlandschaft erhalten wird." Andere Vermarktungswege seien machbar und erfolgversprechend. Beispiele in Deutschland jedenfalls gibt es: nicht nur die Regionalmarken Eifel und Mosel, sondern im Bereich Milch etwa die neu etablierte Marke "die faire milch" oder die ö ko lo gisch ausgerichtete Upländer Bauernmolkerei im sauerländischen Willingen.

Fachfremde Investoren als Konkurrenz

Der ABL-Landesvorsitzende will kein Negativbild des Landwirts malen. "Es ist einer der faszinierendsten Berufe der Welt und kein Job, sondern Beruf und Berufung. Nirgendwo sonst sind die täglichen Aufgaben so vielfältig - man braucht Fachwissen aus Biologie, Zoologie und Chemie ebenso wie aus der Betriebswirtschaft, man arbeitet eng naturverbunden und in Kontakt mit Kollegen oder Verbrauchern, man hat noch immer eine relativ große Freiheit", bringt er die Vorteile auf den Punkt.

Die mitgliederstärkste berufsständische Organisation der Region ist der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau e.V. mit seinem Vizepräsidenten Michael Horper, Landwirt aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm. Er ist vor dem Hintergrund der Globalisierung und steigenden Lebensmittelnachfrage einer wachsenden Weltbevölkerung überzeugt, dass die Bauern ihre Höfe halten sollten. Es gebe weltweit eine wachsende Tendenz, dass aus anderen Branchen stammende Anleger und Banken Agrarland aufkaufen, um es bewirtschaften zu lassen. "Aber Landwirte sollten Landwirte bleiben", sagt Horper, "ihre landwirtschaftlichen Flächen werden immer mehr wert." Es sei bereits an der luxemburgischen Grenze sowie in den Kreisen Bernkastel-Wittlich und Trier-Saarburg spürbar, wie fachfremde Investoren jenen Bauern Konkurrenz machen, die zum Erweitern ihrer Höfe Land pachten oder kaufen wollen.

Bauern mussten, wie Horper erläutert, in den vergangenen Jahren "brutal den Markt lernen". Bis dato hatten die Landwirte mit den von der EU geregelten Märkten zu tun, nun sind sie konfrontiert mit den starken Schwankungen auf den Rohstoffmärkten, mit Börsen und Termingeschäften, mit schnellen globalen Entwicklungen. Der Wandel in der Landwirtschaft ist nach Ansicht des Bauernverbands-Vizes viel tiefgreifender als allgemein bekannt und bezieht sich auf viel mehr als auf die Größe und Struktur der Betriebe.

"Es gibt ein anderes, moderneres Berufsbild, zu dem auch Controlling und Contracting gehören. Viel mehr unternehmerisches Denken und Handeln wird gefordert. Denn die staatlichen Regelungen, die ein Ergebnis der Kriegs- und Hungererfahrungen waren und die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln im Fokus hatten, fallen zunehmend fort." Zugleich änderten sich auch die Lebensentwürfe der jungen Landwirtinnen und Landwirte - sie haben, anders noch als ihre Vorfahren auf den Höfen, ganz normale Ansprüche an Freizeitgestaltung oder Urlaub.

Lebensqualität wird also zunehmend für den potenziellen landwirtschaftlichen Nachwuchs zum Dreh- und Angelpunkt für die Entscheidung, ob ein elterlicher oder externer Hof übernommen wird. Dies betont auch Gerd Grebener, Regionalleiter Rheinland-Pfalz/Saarland der Rinderunion West mit Sitz in Fließem bei Bitburg. "Wer nur etwa 40 Kühe hält, der kann nicht genug erwirtschaften, um mit den Erlösen Mitarbeiter anzustellen. Also bleibt alles an der bäuerlichen Familie hängen." Der aktuelle Milchpreis - in der Region bei 30 Cents pro Liter - sei nur gerade eben ausreichend für viele Landwirte und in Ordnung für Bauern mit besonders gutem Management. Grebener ist sicher: Viele Landwirte würden sehr gern so arbeiten, wie man sich die "gute alte Zeit" vorstellt, mit mehr Freiheit und auch mit mehr Nähe zu den Tieren. "In der Regel lieben sie nämlich ihre Tiere. Aber ein Zurück geht nicht, wenn man von einem Bauernhof leben muss."

Wie die Landwirte und Bauernvertreter sieht Grebener die Verbraucher in der Mitverantwortung für die Zukunft der Höfe und für die Art und Weise der Produktion. Wer als Konsument darauf Wert lege, die heimische Landwirtschaft zu erhalten und darüber hinaus Fleisch, Milch und Eier von "glücklichen" Tieren zu kaufen, der müsse bereit sein, für dieses Glück entsprechend zu zahlen. Diese Qualität sei keine Frage der Größe eines Hofs - auch eine große Menge an Tieren könne artgerecht gehalten werden. Es sei auch keine Frage konventioneller oder biologischer Erzeugung - auch konventionell produzierte Nahrung sei gesund. Aber es sei eine Frage dessen, was die Verbraucher für ihre Nahrungsmittel auszugeben bereit sind. "In Deutschland müssen Lebensmittel immer vor allem billig sein. Ein anderes Bewusstsein entsteht nach Skandalen, flaut danach aber wieder ab." Hier für ein dauerhaft anderes Verhalten zu sorgen ist offenbar die beste Zukunftssicherung für die Bauern und ihre Familien.

EXTRA

Für alle Betriebsleiter und Familien, bei denen in abseh barer Zukunft eine Hof über gabe ansteht, bietet der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau am 1. März, 10 bis etwa 14 Uhr, ein Seminar in seiner Zen trale in Koblenz an. Rechts anwältin Barbara Wolbeck und Walter Sesterhenn, Leiter der Steuerabteilung des Ver bands, klären die Teil nehmer über die Hof übergabe aus rechtlicher und steuerlicher Sicht auf. Das eintägige Seminar kostet zehn Euro für Mit glieder, Nichtmitglieder zahlen 25 Euro. Anmeldung unter Telefon 0261/9885-1112, Fax 0261/ 9885-1300 oder E-Mail: m.tietz@bwv-net.de

ÖKO-LANDWIRTSCHAFT

Bio boomt auch in der Region Trier: Nach Auskunft der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion stellten hier im vergangenen Jahr 29 Landwirte ihren Betrieb auf ökologische Erzeugung um, die meisten davon im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Insgesamt bewirtschaften in der Region Trier derzeit 200 Biobauern eine Fläche von rund 8600 Hektar. Unter anderem durch die Neubetriebe in der Region Trier wuchs die ökologisch bewirtschaftete Fläche in ganz Rheinland-Pfalz 2010 um 18 Prozent auf mehr als 38 000 Hektar an. Zur Zeit unterstehen damit 1608 erzeugende und verarbeitende Betriebe im Land dem Öko-Kontrollverfahren. Öko-Kontrolle: Ökologischer Landbau und Bio-Lebensmittel unterliegen einer Basisverordnung der EU. Darunter fallen alle unverarbeiteten Agrarerzeugnisse einschließlich Fische, alle für den Verzehr verarbeiteten Agrarerzeugnisse sowie Futtermittel. Alle Erzeugungs- und Verarbeitungs schritte müssen transparent gemacht und dokumentiert werden. Ware darf nur mit einem Öko-Hinweis versehen werden, wenn min destens 95 Prozent der Agrarzutaten gemäß den EG-Richt linien für Öko-Landbau erzeugt wurden. Genetisch veränderte Organismen dürfen in den Produkten nicht enthalten sein.

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