Stadt muss wohl für Kita-Kinder haften

Bitburg/Koblenz · Eine Stadt kann dazu verpflichtet werden, für den Schaden aufzukommen, den Kinder einer städtischen Kita verursachen: Das Oberlandesgericht hat gestern über einen Fall aus Bitburg verhandelt - dort hatten Kita-Kinder ein Auto mit Steinen beworfen. Nach Ansicht der Richter haben die Erzieherinnen ihre Aufsichtspflicht verletzt. Das Urteil wird aber erst im Juni verkündet.

Bitburg/Koblenz. Ein Sommertag im Juni 2010 in Bitburg: Gut 20 Kinder spielen im Außengelände der städtischen Kindertagesstätte Zuckerborn, beaufsichtigt von zwei Erzieherinnen. Was den beiden offenbar entgeht: Ein kleines Grüppchen ihrer Schützlinge bewirft ein neben der Einrichtung geparktes Auto mit Kieselsteinen. 21 Dellen entstehen an dem Wagen, die Höhe des Schadens beziffert sich auf 1125 Euro.
Ein Schaden, auf den der Eigentümer des Autos - ein Handwerker, der im Auftrag der Stadt in einer benachbarten Schule einen Wasserschaden beheben sollte - nicht sitzen bleiben wollte: Er verklagte die Stadt Bitburg - Trägerin des Kindergartens und damit Arbeitgeberin der Erzieherinnen - auf Schadensersatz vor dem Trierer Landgericht. Nach Ansicht des Klägers hatten die Erzieherinnen der Kita ihre Aufsichtspflicht verletzt. Eine Auffassung, die die Trierer Richter allerdings nicht teilten: Sie wiesen die Klage mit der Begründung zurück, dass es für die Erzieherinnen gar nicht möglich gewesen sei, jedes einzelne Kind zu jeder Zeit beim Spielen zu beobachten. Damit sei keine Aufsichtspflichtverletzung festzustellen.
Kläger verliert in erster Instanz


Doch der Handwerker gab sich mit diesem Richterspruch nicht zufrieden und legte gegen das Urteil Berufung bei der nächsthöheren Instanz, dem Oberlandesgericht in Koblenz, ein. Wie es scheint, mit Erfolg: Zwar soll das Urteil erst am 21. Juni verkündet werden. Fabian Scherf, Pressesprecher des Oberlandesgerichts, sagt allerdings auf TV-Nachfrage: "Der Senat hat angedeutet, dass er die Sache anders beurteilt als das Landgericht."
Laut Scherf ließen die Richter in der Verhandlung am Donnerstag durchblicken, dass die Stadt Bitburg für den entstandenen Schaden sehr wohl haften müsse. Im Gegensatz zu ihren Trierer Kollegen erkennen die Koblenzer Richter im konkreten Fall eine Verletzung der Aufsichtspflicht durch die beiden Erzieherinnen und stützen sich dabei insbesondere auf die Aussagen des Hausmeisters der benachbarten Schule. Dieser hatte die steinewerfenden Kinder offenbar zuerst bemerkt. Seinen Angaben zufolge war er auf sie aufmerksam geworden, weil er Lärm gehört habe, der für ihn wie "Maschinengewehr-Schüsse" geklungen habe.
Für die Koblenzer Richter ein Hinweis darauf, dass die Erzieherinnen offenbar doch nicht vorschriftsgemäß aufgepasst haben. "Vor dem Hintergrund, dass es offenbar so laute Geräusche und nachher 21 Dellen gab, hat der Senat darauf hingewiesen, dass das im Hinblick auf die Aufsichtspflicht kritisch zu sehen ist", sagt Pressesprecher Scherf.
Zwei Wochen hat die Stadt Bitburg nun Zeit, dem Oberlandesgericht mitzuteilen, ob sie nach der Verkündung des Urteils im Juni gegen den Richterspruch Revision einlegen möchte. Ob dies der Fall sein wird, steht noch nicht fest: Auf TV-Nachfrage teilte ein Sprecher der Stadt gestern mit, dass man zunächst Rücksprache mit der zuständigen Haftpflichtversicherung halten möchte, die letztlich den Schaden begleichen müsste.Extra

Die Aufsichtspflicht für Kinder und Jugendliche ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Grundsätzlich liegt sie bei den Sorgeberechtigten, in der Regel also bei den Eltern. Melden diese ihr Kind im Kindergarten an, so übernimmt der Träger durch den Betreuungsvertrag die Aufsichtspflicht. Da dieser diese Pflicht nicht selbst ausüben kann, geht sie auf das Kindergartenpersonal über. Unterschiede zwischen der Aufsichtspflicht der Eltern und der Erzieherinnen bestehen kaum. "Entscheidend ist, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern", hat der Bundesgerichtshof einmal als Formel herausgegeben. Dabei kommt es immer auf den Einzelfall an: Art und Ausmaß der Aufsichtspflicht hängen also immer von den jeweils gegebenen Umständen ab. neb

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