"Ich bin nicht cholerisch!"

Koblenz/Trier · Gefälschte Stundenzettel, überhöhte Fördergeldabrechnungen: Von dem offenbar systematischen Subventionsbetrug in der Trierer Handwerkskammer zwischen 2003 und 2007 will die damalige Kammerspitze nichts gewusst haben. Vor dem Koblenzer Landgericht hat am Dienstag auch der langjährige Geschäftsführer jegliche Schuld von sich gewiesen.

Koblenz/Trier. Der immense Druck, den Josef A. täglich auf ihn ausgeübt habe, sei so groß gewesen, dass ihm das einen Herzinfarkt eingehandelt hätte. So beschreibt Zeuge M. die Arbeitsbedingungen in der Trierer Handwerkskammer unter deren ehemaligem Geschäftsführer Josef A. Wegen der starken psychischen Belastung und aus Angst habe der IT-Mitarbeiter M. sich darauf eingelassen, gefälschte Stundenzettel zu unterschreiben. Diese dienten dazu, bei den Fördergeldgebern - unter anderem das Bundesministerium für Wirtschaft - überhöhte Zuschüsse abrechnen zu können.
Auch andere Zeugen beschreiben laut Anklage der Koblenzer Staatsanwaltschaft A. als eine Art Despoten, der in der HWK alle Zügel in der Hand gehalten habe. Als eine Art "Mielke", der berüchtigte Stasi-Chef der DDR, bezeichnet ihn ein Zeuge. Eine andere Mitarbeiterin hat angegeben, A. habe sie im Mitarbeitergespräch "traumatisiert".
"Das ist alles nicht wahr!", wehrte sich A. beim gestrigen Prozesstag vor dem Koblenzer Landgericht. "Ich bin nicht die autoritäre oder cholerische Person, als die mich die Anklageschrift darstellt." Sicher, in der Kammer habe Leistungsdruck geherrscht, dem einige nicht standgehalten hätten. Vor allem jene, die die Kammer in den frühen 1980ern noch als Betrieb mit behördlichen Strukturen statt der von ihm mit eingeführten "Managementinstrumenten eines modernen Dienstleistungsbetriebs" erlebt hätten. Dieser Druck sei aber weder "rechtswidrig gewesen oder gar eine Aufforderung zum Subventionsbetrug!", betonte A.
Von dem im Umweltzentrum (UWZ), einer Abteilung der HWK, von der Staatsanwaltschaft festgestellten Subventionsbetrug in Höhe von insgesamt rund 880 000 Euro will A. nichts gewusst haben. "Im Gegenteil: Die korrekte Abrechnung von Projekten war mir stets sehr wichtig", erklärte A. bei seiner Einlassung zur Anklage. "Belastbare Beweise für das Gegenteil hat die Staatsanwalt auch gar nicht vorzuweisen." Hätte die Staatsanwaltschaft die im kammereigenen Handbuch für Qualitätsmanagement verzeichneten Organisationsabläufe bei ihren Ermittlungen berücksichtigt, hätte ihr klar sein müssen, dass er gar nicht für gefälschte Stundenzettel, überhöhte Projektkosten und dadurch zu hohe Zuschussabrechnungen verantwortlich sein könne, führte A. vor Gericht an. "Denn verantwortlich für die betroffenen Projekte - sowohl Personaleinsatz als auch Mittelabruf - war ausschließlich der damalige UWZ-Leiter."
Auch As. damaliger Vorgesetzter Hans-Hermann K., Hauptgeschäftsführer der HWK von 1978 bis 2008, hatte am ersten Prozesstag UWZ-Leiter B. schwer belastet. Außerdem haben A. und K. bei ihrer Aussage vor Gericht die damalige stellvertretende Leiterin des UWZ, Angela H., als Mitverantwortliche für den Subventionsbetrug benannt. Die Staatsanwaltschaft hatte H. bei deren mehrfachen Vernehmungen in den vergangenen Jahren offenbar Straffreiheit zugesagt, sofern sie sich ausführlich zu dem Subventionsbetrug äußere. Tatsächlich wurde H. nicht mitangeklagt.
Schon nach dem zweiten Verhandlungstag ist der Prozess gegen die ehemalige Trierer HWK-Spitze in Verzug: Eigentlich waren bereits für gestern die ersten von wohl Dutzenden Zeugen geladen. Aber auch für den nächsten Verhandlungstermin sind die Zeugen wieder ausgeladen worden. Auf dem Programm steht stattdessen die Einlassung des Ex-UWZ-Leiters Theo B. - der in seinen bisherigen Aussagen A. und K. für den Subventionsbetrug verantwortlich genannt hat.

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