Medizinbetrieb im Ausnahmezustand: Wie Aufnahmeeinrichtungen mit Flüchtlingen umgehen

Trier · Als die Zahl der Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier noch überschaubar war, galt die medizinische Versorgung dort bundesweit als vorbildlich. Doch das hat sich inzwischen geändert.

Es werde zunehmend schwierig, die Masse der Asylsuchenden zu bewältigen, sagte Frank-Peter Wagner, Leiter der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa) Trier bereits im Mai mit Blick auf die medizinische Versorgung. Aus damals 1900 Menschen sind inzwischen mehr als 3000 alleine in Trier geworden.
Mit den Außenstellen in Bitburg und Hermeskeil summiert sich die Zahl auf 4600.

In der Afa Trier und den Außenstellen Trier-Euren, Bitburg und Hermeskeil gibt es Krankenstationen, die in den Außenstellen von Caritas oder DRK mit der Kassenärztlichen Vereinigung organisiert werden. Akut- und Schmerzmedizin steht dort auf der Agenda, mehr lässt das Asylbewerberleistungsgesetz nicht zu.

Dr. Johannes Busemeyer (65) ist einer der Bereitschaftsärzte, die in der Afa Trier-Euren viermal wöchentlich Sprechstunden anbieten. "Wir behandeln hier alle gängigen Erkankungen, oft auch Schlafstörungen bei traumatisierten Menschen oder Lungenentzündungen bei Kindern." Häufig bestehe die Notwendigkeit einer Überweisung ins Krankenhaus.

Die Krankenstation für derzeit 1400 in der ehemaligen Kaserne untergebrachten Asylbewerber hat an fünf Tagen in der Woche geöffnet. Mit dem Beginn der Erkältungszeit sind die Warteschlangen im Flur lang geworden. Das gilt auch für die Afa-Hauptstelle Trier-Nord, wo mehr als 1500 Menschen in noch knapperen Raumverhältnissen leben. Dort organisiert das Land selbst den Betrieb. Die Krankenstation hier ist nur vormittags geöffnet. Nun will die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) die Zahl der Arztsprechstunden von drei auf fünf erweitern.

Ehrenamtliche Helfer und auch Flüchtlinge berichten allerdings, dass viele Menschen den Weg in die Krankenstation meiden. Denn anders als in Euren, wo die Menschen ihre Hauskarte erst im Sprechzimmer den Krankenschwestern vorlegen, muss dies in Trier-Nord vorab bis 7.30 Uhr beim Security-Mitarbeiter der Pforte passieren. "Vor den Securitys haben die Leute hier aber Angst", sagt nicht nur der Syrer A. (Name der Redaktion bekannt).

ADD-Sprecherin Eveline Dziendziol nimmt den Wachdienst in Schutz. "Alle Mitarbeiter der Security-Firmen werden zuvor vom Ordnungsamt eingängig überprüft. Sie führen mit uns ein ausführliches Gespräch, bei dem insbesondere auf ihre Eignung für den Einsatz in einer Erstaufnahmeeinrichtung geachtet wird."

Dr. Harald Michels, Leiter des Gesundheitsamtes Trier-Saarburg, weiß von der enormen Belastung der Mitarbeiter. "Jeder kommt derzeit an die Grenzen dessen, was er machen kann." In die akutmedizinische Versorgung in den Aufnahmeeinrichtungen habe er aber keinen Einblick.

Wirklich rund läuft es aber auch bei den gesetzlich vorgeschriebenen Erstuntersuchungen für Flüchtlinge nicht, die immer dienstags und donnerstags das Gesundheitsamt in einen Ausnahmezustand versetzen. "Nur wenn wir dann keine Mittagspause machen, schaffen wir alle, die uns vorgestellt werden", sagt der Amtsleiter.

Röntgenuntersuchungen und der Ausschluss von ansteckenden Krankheiten wie Tuberkulose oder Windpocken. stehen dann auf dem Programm. Passieren sollte das in der ersten Woche nach Ankunft und Registrierung. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass inzwischen zeitweise Menschen in andere Einrichtungen verlegt werden, bevor sie registriert und untersucht worden sind.Extra

Asylbewerber erhalten über das Asylbewerberleistungsgesetz nur einen eingeschränkten Katalog von medizinischen Leistungen. Das Gesetz sieht nur die Behandlung von Schmerzzuständen oder akuten Erkrankungen vor. Sobald Flüchtlinge in den Kommunen untergebracht sind, muss dem Arztbesuch in der Regel ein Besuch beim Sozialamt vorausgehen, das die Kosten der medizinischen Versorgung trägt. Hier erhält der Patient von medizinisch ungeschulten Mitarbeitern einen Berechtigungsschein, der ihn zum Aufsuchen eines Arztes befugt. Um einen diskriminierungsfreien Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen, setzt sich das Land seit Ende 2014 für die bundesweite Einführung einer Gesundheitskarte für Asylsuchende ein. Ärzte könnten dann unmittelbar bei Krankenkassen ihre Kosten abrechnen. Die Kassen wiederum würden von den Kommunen das Geld einfordern. An der Beschränkung der Leistungen für die Migranten würde das nichts ändern. Nachdem die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Gesundheitskarte für Flüchtlinge angekündigt hat, sollen nun in Rheinland-Pfalz Fakten geschaffen werden. Das hat eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums auf TV-Anfrage bestätigt. Mitte Oktober soll eine erste konkrete Sitzung mit Krankenkassen und Kommunen stattfinden, um über eine Rahmenvereinbarung zu sprechen. r.n.

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