Keine Scheu vor Nazi-Erbe

Die Last war groß und der Prozess mühsam. Kaum jemand in der Eifel und in Düsseldorf machte anfangs einen Hehl daraus, dass ihm die ehemalige nationalsozialistische Ordensburg Vogelsang ein Klotz am Bein war. Inzwischen arbeitet eine Betreibergesellschaft an der touristischen Umnutzung des Nazi-Erbes, eine Gemeinschaft aus Kommunen und Kreisen der Aachener Region. Sie hat jetzt Verstärkung aus Belgien bekommen: Die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) ist erster nicht-deutscher Gesellschafter der "Vogelsang ip" geworden.

Gemünd. Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz (Sozialistische Partei) ist ein politischer Haudegen, seit zehn Jahren Regierungschef bei den belgischen Nachbarn. Diese haben von Aachen bis Prüm eine gemeinsame Grenze mit Deutschland - daher der Bezug zu Vogelsang. Die Nazis hatten den monumentalen Komplex mitten in der Eifellandschaft als Eliteschule für den Führungsnachwuchs errichtet.

Nach dem Krieg nutzten zuerst die Briten, dann die Belgier das Areal als Truppenübungsplatz. In diesem Jahr beginnt der Umbau des ersten Gebäude-Komplexes. Geplant sind darin unter anderem Ausstellungen, Bildungszentrum und Besucherinformation.
Ein Stück Aufarbeitung der eigenen Geschichte



"Ganz generell gilt, dass für die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte insgesamt von Bedeutung ist", erläuterte Lambertz. Das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft kam mit dem Versailler Vertrag 1920 zu Belgien. 1940 folgte die Annexion durch Hitler-Deutschland, nach dem Krieg kam das Gebiet rund um Eupen zu Belgien zurück. Für die deutschsprachigen Belgier sei die Mitarbeit an Vogelsang auch ein Stück Aufarbeitung der eigenen Geschichte, sagte Lambertz.

Genau genommen spielen die Belgier in der Betreibergesellschaft "Vogelsang ip" eine kleine Rolle. Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist mit gut zwei Prozent ein kleiner Gesellschafter, und das Kapital mit 650 Euro recht bescheiden. Weil der Betrag so unbedeutend ist, wollte ihn auch niemand in der Öffentlichkeit so recht nennen.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Betreibergesellschaft, Hans Poth, hat sich aber trotzdem richtig über den Beitritt gefreut. "Schön, dass man zu einem so frühen Zeitpunkt von einer internationalen Gesellschaft sprechen kann", betonte er. Das sei ein Imagegewinn. Das "ip" im Namen der Gesellschaft steht als Abkürzung für "Internationaler Platz", der Vogelsang werden soll - als Sinnbild für Toleranz und friedliches Miteinander. Außerdem sei der Beitritt der Belgier ein Zeichen dafür, dass die Eifel zusammenwachse, auch über die Grenze.

Das würde Lambertz wohl blind unterschreiben. Der Tourismus ist ein Wirtschaftspfeiler der Region, egal, ob in Belgien oder Deutschland. Burg Vogelsang liegt im Nationalpark Eifel und rund 40 Kilometer vom Eupener Regierungssitz entfernt.

Geografisches Bindeglied ist der grenzüberschreitende Naturpark Hohes Venn-Eifel, in dem die Zusammenarbeit seit Jahren gut läuft. Vogelsang werde über die Region hinaus strahlen. Und das komme auch der belgischen Eifel zugute, hofft der belgische Regierungschef.

Extra In der Betreibergesellschaft "Vogelsang ip" arbeiten sechs Kreise und Kommunen, der Landschaftsverband Rheinland und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens an der touristischen Umnutzung der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Areal Truppenübungsplatz für das britische und belgische Militär. 2006 begann die zivile Nutzung. Das "ip" (internationaler Platz) im Namen steht für die angestrebte Neuinterpretation Vogelsangs als Ort der Toleranz, des friedlichen Miteinanders und der intensiven Naturbegegnung.

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