Ärzte und Krankenkasse streiten um Impfungen

Trier · Die rheinland-pfälzischen Ärzte drohen damit, von den Krankenkassen bezahlte Impfungen nicht mehr anzubieten. Hintergrund ist ein Streit zwischen der Krankenkasse AOK Rheinland-Pfalz und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).

Trier. In Rheinland-Pfalz tobt derzeit ein erbitterter Impf-Streit. Die Kontrahenten: Die AOK und die KV. Die AOK ordert im Auftrag aller gesetzlichen Krankenkassen im Land den sogenannten Sprechstundenbedarf für die niedergelassenen Ärzte.

Zentrale Bestellung


Dazu zählen auch die Impfstoffe etwa gegen Grippe. In einer zentralen Stelle bestellen die Kassenärzte dann den für sie benötigten Impfstoff. Erst wenn dieser verabreicht wird, erhält der Arzt dafür ein Honorar von der Krankenkasse.
Die im pfälzischen Eisenberg sitzende Kasse wirft den Medizinern Unwirtschaftlichkeit vor: Sie hätten mehr Impfstoff bestellt, als sie in einem Quartal brauchten. Daher droht die Kasse betroffenen Ärzten mit Regressforderungen rückwirkend ab 2008 für nicht in einem Quartal verbrauchte Impfstoffe. Sie verlangt, dass die Ärzte künftig exakt so viel Impfstoff bestellen, wie sie in den nächsten Monaten brauchen werden.
Laut KV drohen Medizinern Regresse in fünf- bis sechsstelliger Höhe. Die AOK unterstelle den Ärzten "ohne konkrete Anhaltspunkte" beim Impfen "Unregelmäßigkeiten und Unwirtschaftlichkeit", sagt der stellvertretende KV-Vorsitzende Peter Heinz. "Dieser konfrontative Umgang mit Ärzten ist nicht hilfreich im Bestreben, die Impfquote in Rheinland-Pfalz zu verbessern", so der Ärztefunktionär.
Bei dem Streit geht es nicht nur um die Grippeschutzimpfung. Auch die Impfstoffe für Kinder und Jugendliche zählen zu dem von der AOK zentral bestellten Sprechstundenbedarf. Daher wehren sich auch die Kinderärzte gegen die Regressforderungen der Kasse. Oft müssten geplante Impfungen verschoben werden, etwa weil die Kinder krank geworden seien und deswegen nicht geimpft werden könnten oder weil die Eltern einfach den Termin vergessen hätten, erklärt Wolfram Hartmann, Präsident des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte. Selbst wenn deshalb die Impfung ins nächste Quartal verschoben würde, entstünde den Kassen dadurch kein finanzieller Schaden.
Drohung des Verbands


Hartmann spricht von "absurden Regressansprüchen" und droht damit, künftig Impfstoffe "nur noch sehr zurückhaltend" zu bestellen. Patienten müssten in Zukunft Impftermine schriftlich bestätigen.
Auch die Frauenärzte kritisieren die AOK-Forderung als völlig unrealistisch. Häufig seien Impfstoffe nur in Großpackungen lieferbar. Wolle eine Praxis genügend Impfstoff für die Patienten bereithalten, müsse sie häufig höhere Mengen bestellen, als in einem Quartal verimpft werden könnten, sagt der Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Frauenärzteverbandes, Werner Harlfinger. Außerdem sei eine exakt vorhersehbare Planung der Impfungen kaum möglich.
Die AOK verlangt von der KV die Daten der seit 2008 geleisteten Impfungen aller Patienten, auch wenn sie bei anderen Kassen versichert sind. Seit 2008 weigere sich die KV, diese Daten zu übermitteln, heißt es bei der AOK. Daher hat die Kasse die KV nun auf die Herausgabe der Daten verklagt. Die KV verweist darauf, dass die Daten den jeweiligen Kassen vorlägen. Die AOK könne sie dort abfragen.
Hintergrund des Streites ist ein seit Jahren dauernder Zwist zwischen AOK und KV um die Grippeschutzimpfung. Die Kasse hält sich strikt an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, nach denen der Grippeschutz nur für chronisch Kranke und Ältere ab 60 Jahre sinnvoll ist. Versicherten, die nicht zu diesem Personenkreis gehören, zahlt die AOK die Grippeimpfung nicht. Weil es in diesem Jahr erneut keine Einigung mit der Kasse gab, weigerte sich die KV, mit anderen gesetzlichen Krankenversicherungen Vereinbarungen abzuschließen, wonach alle Versicherten kostenlos geimpft werden können. Bereits bei der Schweinegrippe-Impfung hatte sich die KV wegen des Streits mit der AOK geweigert, diese zu organisieren.Extra

Die Impfrate für die Grippeschutzimpfung liegt in Rheinland-Pfalz bei 14 Prozent aller Versicherten, für die die Impfung empfohlen ist. Damit liegt das Land laut Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung an zweitletzter Stelle aller Bundesländer. Nur in Baden-Württemberg ist die Impfrate mit elf Prozent noch schlechter. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt und Sachsen liegt die Quote bei über 30 Prozent. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) befürchtet, dass durch den Streit darüber, welche Krankenkasse die Grippeschutzimpfung für alle Versicherten bezahlt, und die aktuelle Auseinandersetzung mit der AOK über Regresse für nicht verwendete Impfstoffe die Motivation vieler Ärzte sinken werde, die Grippeschutzimpfung anzubieten. Damit werde Rheinland-Pfalz die "rote Laterne" bei der Impfrate weiter behalten, heißt es bei der KV. Die Statistik zeigt, dass selbst bei Versicherten über 60 Jahren, für die die Kosten der Grippeimpfung von den Kassen übernommen werden, die Impfrate überdurchschnittlich niedrig ist. Nur ein Drittel der Älteren lässt sich impfen, in Ostdeutschland sind es rund zwei Drittel. Laut KV bestätigte sich der Trend in der jüngsten Grippesaison. wie

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