Ein rauer Wind und viel Applaus

Seit dem Wochenende ist der scheidende Trierer Bischof der ehemalige: Reinhard Marx ist am Samstag offiziell in sein Amt als neuer Erzbischof von München und Freising eingeführt worden. Dass im Süden der Republik mitunter ein anderer Wind weht, musste der 54-Jährige schon feststellen.

München. Reinhard Marx dürfte am Donnerstagmorgen die Zornesröte ins Gesicht gestiegen sein, als er bei seinem ersten Frühstück in der neuen Heimat die Münchner Tageszeitungen durchblätterte. "Buh-Rufe für den neuen Bischof. Erster Tag - erstes Fettnäpfchen", titelte doch tatsächlich eine örtliche Boulevard-Zeitung über die bischöfliche Antrittstour am Vortag. Daneben das Foto eines leicht überheblich dreinblickenden Reinhard Marx."Bayern ist nicht das gelobte Land"

In Wirklichkeit war alles halb so wild: Marx hatte bei seinem Empfang im Kloster Scheyern scherzhaft gesagt, Trier sei nicht Ägypten und "Bayern nicht das gelobte Land", was offenbar nicht alle Anwesenden witzig fanden. Es sei Grummeln zu hören gewesen, meldete anschließend eine Presseagentur, und auch ein paar leise Buh-Rufe. Was die meisten Medien nur am Rande notierten, war der Münchner Abendzeitung immerhin eine Titel-Schlagzeile wert. Wenig verwunderlich, denn in der bayerischen Landeshauptstadt konkurrieren täglich drei Boulevard-Blätter um Leser und Auflage. Da kann auch eine spaßig gemeinte Randbemerkung schon mal aufgebläht werden zum vermeintlichen Skandälchen. Es war genau das eingetreten, was Marx-Kenner vor seinem Weggang aus Trier befürchtet hatten. Weil der eloquente Bischof auch bei offiziellen Anlässen gerne frei spricht und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legt, rutscht ihm im Eifer des Gefechts schon mal etwas heraus, was er bei einer vorformulierten Rede so nicht gesagt hätte. In Bayern ging der an sich harmlose verbale Schnellschuss nach hinten los.Aber Reinhard Marx lernt rasch. Bei seiner ersten Predigt als neuer Erzbischof im Münchner Liebfrauendom hält er sich am Samstag sicherheitshalber weitgehend ans vorbereitete Manuskript. Aber auch dessen Inhalt ist nicht "weichgespült". Marx kündigt an, sich "politisch und gesellschaftlich einmischen und zu Wort melden" zu wollen. Da schwant den in den ersten Bank-Reihen sitzenden Kabinettsmitgliedern von CSU-Ministerpräsident Günther Beckstein wohl nichts Gutes. "Reinhard Marx - der soll theologisch rechts und politisch links stehen. Andersherum wäre es mir lieber", soll der Protestant Beckstein Vertrauten gegenüber gesagt haben, als er vor einigen Wochen von der Ernennung des neuen Erzbischofs erfuhr. Wer an diesem Samstagmorgen einen der wenigen, nicht für geladene Gäste reservierten Plätze in der Liebfrauenkirche ergattern will, muss früh dran sein. "Wegen Überfüllung geschlossen", steht bereits eine Stunde vor Beginn des Festgottesdienstes an den Portalen.Beste Sicht fürs Trierer Domkapitel

Die von der zehnstündigen Anfahrt am Vortag noch ein wenig geschlaucht wirkenden Mitglieder des Trierer Domkapitels stört das nicht. Sie haben feste Plätze im Chorgestühl und damit beste Sicht auf die Einführungsfeierlichkeiten, die Kritiker später wegen des Pomps mit einer königlichen Krönungszeremonie vergleichen werden.Reinhard Marx mag das geahnt haben. In seiner Predigt sagt er mehrmals, dass bei dieser Feier nicht der neue Erzbischof im Mittelpunkt stehe, sondern Jesus Christus. Die wichtigste Symbolik an diesem Tag: Um genau 9.57 Uhr setzt sich Reinhard Marx auf die Kathedra, den hölzernen Bischofsstuhl am Ende des Altarraums. Damit ist der 54-Jährige offiziell der neue Erzbischof von München und Freising. Und erst damit endet seine für katholische Verhältnisse kurze Amtszeit in Trier. Beifall brandet auf in der Frauenkirche - nicht das einzige Mal an diesem Morgen. "So viel Applaus hat es hier schon ewig nicht mehr gegeben", flüstert ein Ministrant seinem Nachbarn ins Ohr. Als Reinhard Marx nach gut zweieinhalbstündigem Gottesdienst den Dom durchs Hauptportal verlässt, die Gläubigen ihm zujubeln und seinen Namen rufen, scheint die zuvor sichtbare Anspannung wie weggeblasen. Ein Hoch auf den "falschen" Bischof

Zwei Schützenbrüder aus Marx' westfälischer Heimat sorgen für zusätzliche Heiterkeit bei der auf der Treppe versammelten Kirchen- und Polit-Prominenz, als sie versehentlich den "neuen Erzbischof von Paderborn" hochleben lassen. Beim anschließenden Festzug durch die Münchner Innenstadt ist der ehemalige Trie rer Bischof dann ganz in seinem Element. Immer wieder muss der von Musikvereinen begleitete Tross stoppen, weil Reinhard Marx mit am Straßenrand wartenden Gläubigen ein Schwätzchen hält. "Ich bin froh, dass ich in Bayern so herzlich aufgenommen wurde", sagt er später. Wie es aussieht, hat der neue Erzbischof die Boulevard-Schlagzeilen der ersten Tage schon wieder vergessen. Extra Prominenz bei der Marx-Einführung: Karl Kardinal Lehmann (Mainz), Joachim Kardinal Meisner (Köln), Jean-Claude Péris set (Päpstlicher Nuntius in Deutschland), Ministerpräsident Günther Beckstein (Bayern), Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, Landtagspräsident Alois Glück; Oberbürgermeister Christian Ude (München), Johannes Friedrich (Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche), Hans Joachim Meyer (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken), Erwin Huber (CSU-Vorsitzender), Ludwig Stiegler (SPD-Landesvorsitzender Bayern), Robert Brahm, Jörg Michael Peter und Stephan Ackermann (Trierer Weihbischöfe), Manfred Thesing (Katholikenrat im Bistum Trier), Werner Rössel (Trie-rer Dompropst), Georg Holkenbrink (Ständiger Vertreter des Trierer Diözesan-Administrators), Stephan Wahl (Fernsehpfarrer), Franz Josef Gebert (Trierer Domdechant), Erzbischof Ludwig Schick (Bamberg), Erzbischof Hans-Josef Becker (Paderborn), Friedrich Kardinal Wetter (Marx-Vorgänger), Matti Heizmannilä (Finnland), Monsignore Sandro Fontanelli (Italien). (sey)

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