Eintracht mit Verfallsdatum

In einem Punkt irrte der alte und neue CDU-Spitzenkandidat am Freitagabend: "Ein zerstrittener Haufen sind wir nicht", sagte Christoph Böhr, wohl noch ganz geblendet von dem gemeinsamen Einmarsch mit Kontrahent Peter Rauen und dem eigenen Abschneiden bei der Abstimmung.

Doch das mit knapp 80 Prozent gute Ergebnis für Böhr und die Solidaritätsbekundungen von (Partei-)Freund und -Feind sind nur eine Momentaufnahme mit eingebautem Verfallsdatum. Nur unverbesserliche Optimisten können wirklich glauben, dass Ruhe einkehren wird in die seit 16 Jahren zerrissene Partei. Die zum Duell hoch stilisierte Auseinandersetzung Böhr/Rauen war kaum zugunsten des amtierenden Landesvorsitzenden entschieden, da scherte diese Woche schon der erste Böhr-Widersacher aus der Phalanx der vermeintlich honorigen Verlierer aus: Georg Moesta, immerhin CDU-Vize-Bezirkschef im rheinland-pfälzischen Norden, deutete das seiner Meinung nach "schwache Wahlergebnis" Böhrs als Beweis, dass die Partei nicht geschlossen hinter ihm steht. Feuer ins Öl gossen aber direkt nach Böhrs Erfolg bei der Mitgliederbefragung auch die Getreuen des Parteichefs: CDU-Landesschatzmeister Herbert Jullien forderte die drei aufmüpfigen Bezirkschefs indirekt zum Rücktritt auf. Weil Michael Hörster, Peter Rauen und Kurt Lechner dies aber freiwillig nicht tun werden, bleibt der Böhr-Fraktion nichts anderes übrig, als die Parteistrukturen umzukrempeln und das Trio so durch die Hintertür zu entmachten. Kaum vorstellbar, dass die als Tiger abgesprungenen, aber als Bettvorleger gelandeten Aufrührer dies widerspruchslos hinnehmen werden. Wem's ans Leder geht, der schlägt um sich - ohne Rücksicht auf Verluste. Die auf dem gestrigen CDU-Parteitag demonstrativ zur Schau gestellte Eintracht ist so brüchig wie dünnes Eis. Hinter den Kulissen werden die Messer längst wieder gewetzt. r.seydewitz@volksfreund.de

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