Münteferings Ministerriege steht

BERLIN. Die wilden Spekulationen der vergangenen Tage sind beendet. Zumindest, was das Kabinettspersonal der SPD in einer künftigen Regierung unter Angela Merkel angeht. Nach seiner zweitägigen Klausur versammelte sich das Parteipräsidium gestern Morgen noch einmal, um das Personaltableau endgültig abzustimmen.

Die unberücksichtigten Anwärter wussten zu diesem Zeitpunkt natürlich schon längst über ihr Schicksal Bescheid. Edelgard Bulmahn überkam "ein bisschen Wehmut". Ihr Bildungsressort wird künftig von der Union besetzt. Hans Eichel indes, der sich wegen notorischer Erfolglosigkeit nicht einmal mehr zu den Teilnehmern der Sondierungsgespräche mit der Union zählen durfte, redete sich den politischen Abschied schön: Mit seinem Parteifreund Peer Steinbrück habe die SPD "eine gute Wahl" für seine Nachfolge im Finanzministerium gefunden.Eine gute Wahl. Das war auch der Tenor, der gestern in der SPD-Bundestagsfraktion über die Entscheidung vorherrschte. "Ein hervorragendes Personalangebot", schwärmte der Thüringer Abgeordnete Karsten Schneider. "Die Neuen, die ins Kabinett kommen, sind jünger als jene, die ausscheiden", freute sich der Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner. Und der frühere Arbeitsminister Walter Riester war des Lobes voll, dass sein ehemaliges Ressort nun wieder aus dem Wirtschaftsministerium herausgelöst und mit Parteichef Franz Müntefering "herausragend" besetzt wird.

An der künftigen Rolle Münteferings als Vizekanzler und Ressortchef schieden sich allerdings auch die Geister. "Müntefering hätte weiter als Fraktionschef ein entscheidendes Scharnier zwischen den beiden Koalitionspartnern sein können", meinte der Sprecher des konservativen "Seeheimer" Parteikreises, Klaas Hübner.

Struck wird gern wieder Fraktionschef

Münteferings Abschied vom Chefsessel in der Fraktion wird den Genossen allerdings durch seinen Nachfolger Peter Struck erleichtert, der den Posten bereits zwischen 1998 und 2002 zur vollen Zufriedenheit der SPD-Abgeordneten ausgefüllt hat. Damals musste Struck Rudolf Scharping als Verteidigungsminister ersetzen, der sich durch politische und private Affären für das Amt disqualifiziert hatte. "Ich bin seinerzeit ungern als Fraktionschef geschieden", bekannte Struck gestern. Auch Müntefering war einst als Verkehrsminister im Kabinett Gerhard Schröders.

Seine wahre Erfüllung fand der heute 65-jährige aber stets an der Spitze von Partei und Fraktion.

Im Fraktionsvorstand erklärte Müntefering dem Vernehmen nach, dass er als Arbeitsminister vielleicht nicht der Beste sei. Aber er glaube, die Sache managen zu können. Später in der Fraktion würdigte Schröder Münteferings Schritt als "ausgesprochen richtige Entscheidung". Wenn man auf gleicher Augenhöhe mit den Parteichefs von CDU und CSU sein wolle, dann gehöre Müntefering ins Kabinett, meinte der Kanzler nach Angaben von Teilnehmern.

Vor der Presse suchte Müntefering den Eindruck zu zerstreuen, sein Gang ins Kabinett sei der dünnen Personaldecke in der SPD geschuldet. Der Parteivorsitzende verwies auf seinen Taschenkalender, in den er "zwischen 15 und 20 Namen" notiert haben wollte, die für die acht künftigen SPD-Ministerien in Frage kämen. Die Kriterien für die Auswahl hätten sich an der politischen Erfahrung, an neuen Gesichtern und an einer ostdeutschen Herkunft orientiert.

Bei der fieberhaften Suche nach geeigneten Kandidaten wurde Müntefering schließlich beim Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (50) fündig, mit dem er noch am Mittwoch telefoniert hatte. Das komplette Personal-Tableau war nach Münteferings Angaben erst um 23 Uhr desselben Tages perfekt.

Der künftigen SPD-Regierungsmannschaft gehören drei Politiker aus Nordrhein-Westfalen, einer aus Sachsen, sowie jeweils zwei aus Niedersachsen und Hessen an. Zu den Überraschungen zählt dabei die Entscheidung für Kanzleramtschef Frank Walter Steinmeier als Außenminister. Müntefering bescheinigte dem 49-jährigen Vertrauten Gerhard Schröders eine "hohe Kompetenz in außenpolitischen Fragen".

Die übrigen Kandidaten hatten praktisch schon zu Wochenbeginn festgestanden (siehe Grafik).

Bliebe noch ein Bonmot nachzutragen, das Gerhard Schröder vor der Fraktion zum Besten gab. Bei seinem jüngsten Flug zum Staatsbesuch in die Türkei habe eine Stewardess um ein gemeinsames Foto mit ihm gebeten, erzählte der scheidende Kanzler. Das Bild war allerdings mitnichten für die junge Dame gedacht, sondern für ihre Großmutter, die ein Schröder-Fan sei. "Da ist mir doch bewusst geworden, es ist langsam Zeit zu gehen", schmunzelte Schröder.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort