Patienten droht Papierkrieg

TRIER. (ik) Jeder gesetzlich versicherte Erwachsene wird künftig in der Apotheke zur Kasse gebeten: Generelle Befreiungen für Menschen, die unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, gibt es nach Inkrafttreten der Gesundheitsreform am 1. Januar 2004 nicht mehr.

Für alle, die derzeit in der Apotheke einen Befreiungsausweis vorlegen und damit das Portemonnaie in der Tasche lassen können, wird es im kommenden Jahr ein böses Erwachen geben. Von Januar an muss jeder gesetzlich Versicherte Zuzahlungen zu Arzneimittelnleisten - und zwar pro Jahr bis zu zwei Prozent seines Bruttoeinkommens. Die einzigen Ausnahmen: Bei chronisch Kranken bleibt die Belastungsgrenze bei einem Prozent, und Kinder sowie Jugendliche bis 18 Jahre müssen weiterhin nichts zuzahlen. "Grob geschätzt" seien derzeit zwischen zehn und 20 Prozent der erwachsenen Versicherten generell von Zuzahlungen zu Medikamenten befreit, sagt Hans-Jürgen Herkner von der AOK Rheinland-Pfalz. Wer nicht zu dieser Gruppe gehört, muss schon heute bis zu zwei Prozent seines Brutto-Einkommens für Zuzahlungen ausgeben - theoretisch, denn nur ein Bruchteil der Versicherten erreicht diese Grenze bisher. Bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) waren es Pressesprecher Thorsten Jakob zufolge im vergangenen Jahr gerade einmal 2,5 Prozent. Das dürfte sich in Zukunft ändern. Denn zumeinen müssen Patienten tiefer in die Tasche greifen, wenn sie Medikamente brauchen. Und zum anderen werden künftig mehr Zuzahlungen bei der Berechnung der Zwei-Prozent-Grenze berücksichtigt als bisher. Wer heute ins Krankenhaus kommt, muss die anteiligenKosten auch dann zahlen, wenn seine Belastungsgrenze überschritten ist. In Zukunft werden auch die Zuzahlungen auf solche Aufenthalte oder die neue Praxisgebühr angerechnet. Von Januar an heißt es deshalb selbst für die, die bisher bei Zuzahlungen weit unter der Zwei-Prozent-Grenze blieben: Quittungen von Arzt und Apotheker sammeln. "Auch wer viel verdient und selten krank ist, weiß am Anfang des Jahres nicht, was auf ihn zukommt", warnt BEK-Sprecher Jakob. Für privat Versicherte ändert sich derweil nichts. Je nach Tarif werden die Kosten für verschriebene Medikamente auch in Zukunft voll erstattet. Apotheker kritisieren, dass die Krankenkassen nicht umfassend genug über die Neuerungen informieren. Sie fürchten, dass so mancher Kunde aus allen Wolken fällt, wenn der Apotheker Anfang kommenden Jahres die Hand aufhält. "Viele Leute glauben, dass die höheren Zuzahlungen in unsere eigenen Kassen fließen", sagt der Theo Hasse, Apotheker aus Zerf und Vorstandsmitglied im Apothekerverband Rheinland-Pfalz. "Wir sind die Buhmänner."KOMMENTAR SEITE 2 GELD UND MARKT SEITE 5

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