Krank sein ist teuer

TRIER. Nichts ist mehr, wie es war. Nachdem Thea Vogel, die Oma der TV -Familie, den Schock mit der Praxisgebühr verdaut hat, versucht sie nun, die neuen Zuzahlungsregelungen in der Apotheke zu verstehen.

"Krank sein ist ja richtig teuer", regt sich Oma Vogel auf. Seit sie wegen ihrer Rückenschmerzen beim Arzt war, wird ihr erst so richtig bewusst, was die Gesundheitsreform für sie bedeutet: zehn Euro Praxisgebühr, höhere Zuzahlungen in der Apotheke. "Da geht ja ein guter Teil meiner Rente für Medikamente weg", beschwert sie sich, als sie die verschriebenen Medikamente in der Apotheke abholt. "Wir können auch nichts dafür. Wir verdienen nicht mehr als vor der Reform. Von den Zuzahlungen haben wir nichts, die müssen wir mit den Krankenkassen verrechnen", meint der Apotheker, der seit Tagen den Zorn der Patienten spürt. "Wie ist denn das jetzt mit den Zuzahlungen?" fragt auch Thea Vogel, die genauso wenig wie die anderen Versicherten durchblickt.Bis Ende vergangenen Jahres richteten sich die Zuzahlungen nach den Packungsgrößen. Seit 1. Januar ist der Arzneimittelpreis für die Zuzahlungen entscheidend. Die Patienten müssen generell zehn Prozent des Preises, mindestens jedoch fünf und höchstens zehn Euro bezahlen. Ein Beispiel: Kostet ein Medikament zehn Euro, müssen fünf Euro zugezahlt werden, kostet es 75 Euro, werden zehn Prozent berechnet, also 7,50 Euro. Bei einem Medikamentenpreis von 100 Euro bezahlt der Versicherte den Höchstbetrag von zehn Euro. "Wir sind nur noch am Rechnen", jammert auch der Apotheker. Oma Vogel bemitleidet ihn: "Ich kann sie gut verstehen. Das ist ja fürchterlich mit dieser Reform. Wie kann ich eigentlich nachweisen, wie viel ich schon zugezahlt habe?", fragt sie den Apotheker.Auf jeden Fall alle Quittungen sammeln und bei der Krankenkasse einreichen. Mehr als zwei Prozent des Bruttoeinkommens (bei Chronikern sind es ein Prozent) braucht niemand zu zahlen. Die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten rät sogar dazu, die Kosten für rezeptpflichtige Arzneimittel bei der Steuererklärung anzugeben. Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist, dass die Kosten eine unzumutbare Belastung für den Steuerzahler darstellen. Bei ledigen Kinderlosen liegt diese Grenze bei sechs Prozent des Gesamteinkommens, bei Familien mit zwei Kindern bei zwei Prozent. "Das ist ja wirklich eine elende Rechnerei. Haben wir die Reform wirklich gebraucht? Alle stöhnen nur darüber, und eingespart wird auch nicht so richtig was damit", macht sich Oma Vogel Gedanken. "Na ja", meint der Apotheker. "Die Kassen sparen im Großen und Ganzen schon was dabei."Seit Januar dürfen die Ärzte nur noch verschreibungspflichtige Medikamente verordnen. Nicht rezeptpflichtige Präparate müssen die Patienten selbst zahlen. Allerdings darf etwa bei Osteoporose auch kein Kalzium mehr verschrieben werden, was aber wichtig für die Behandlung ist - also muss der Kranke es aus eigener Tasche zahlen. Oma Vogel kommt jetzt richtig in Fahrt. Es macht ihr Spaß, mit dem Apotheker zu diskutieren. "Aber dann verdienen Sie ja doch mehr, weil die Leute mehr rezeptfreie Mittel kaufen." - "Nein, wir haben wirklich nicht mehr in der Kasse, denn wir erhalten für viele Medikamente sogar weniger als vorher."Bislang waren die Apotheker prozentual am Verkauf der Präparate beteiligt. Die Preise waren für alle Medikamente festgelegt. Seit Januar erhalten sie für jedes verordnete Medikament 8,10 Euro - unabhängig vom Preis. Das habe dazu geführt, dass einige billigere Medikamente für die Kassen teurer geworden seien - Mittel, die bislang um die zwei Euro gelegen hätten, kosteten jetzt über zehn Euro, erklärt der Trier Apotheker Henning Groß. Im Gegenzug seien teurere Präparate günstiger geworden. Die Kassen sparten, weil die Ausgabensteigerungen vor allem bei den teureren Medikamenten lägen."Warum bestellst du die Medikamente nicht im Internet?", fragt Tanja Vogel ihre Mutter, als diese ihr zu Hause von dem Gespräch mit dem Apotheker berichtet. "Ich kann doch nicht einfach meine Medikamente am Bildschirm kaufen! Wer berät mich denn dann? Und woher weiß ich, dass ich die richtigen Mittel bekomme?" Oma Vogel ist unsicher. "Das geht ganz einfach, es gibt Firmen im Internet, die verschicken alle Medikamente, die du brauchst - einen Tag später sind sie da", weiß Tanja."Vorsicht", sagt Apotheker Groß. Viele Internet-Apotheken verschickten häufig auch keine Original-Präparate. "Und bei den frei verkäuflichen Medikamenten muss es nicht so sein, dass sie unbedingt billiger sind als die Apotheke um die Ecke." Immerhin kommen bei den meisten noch Versandkosten hinzu, viele Internethändler haben zudem auch einen Mindestbestellwert. Auf jeden Fall sollte man vorher abklären, ob die Krankenkasse die Kosten für die Internet-Apotheke übernimmt. "Na, anschauen kann ich mir das Ganze ja mal", meint Oma Vogel skeptisch. Sie kann sich nicht so recht vorstellen, nicht mehr zu ihrem netten Apotheker zu gehen, der sie immer gut beraten hat.

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