Rückfahrt in eine andere Heimat

TRIER. Auf den Straßen Europas sind LKW-Fahrer zu Hause. Aber sie haben auch eine Heimat. Doch für die spanischen Fahrer, die ihre Tankpause auf der Autobahn-Raststätte Wasserbillig machen, ist der Gedanke an die Rückfahrt ins Heimatland mit schlimmen Gefühlen verbunden.

"Grandes problemas", wiederholt Muriel Marcellino mehrmals und gestikuliert dazu erregt in südländischer Manier. Der Fernfahrer aus Barcelona wartet mit seinem Schwerlaster auf der Raststätte an derdeutsch-luxemburgischen Grenze in der Schlange vor den Zapfsäulen. Der Mittfünziger war zur Zeit der Anschläge gerade in Deutschland und Holland unterwegs. "Ich habe nur im Radio davon gehört. Nach Spanien zurück fahre ich erst wieder am Samstagabend." Marcellino ist überzeugt davon, dass islamische Terroristen den Anschlag verübt haben. Und er ist wütend, wütend auf den eigenen Präsidenten José María Aznar: "90 Prozent der spanischen Bevölkerung waren gegen den Irak-Krieg. Aber unser Präsident wollte die USA unterstützen, um sich mit George Bush gut zu stellen." Angst vor neuen Anschlägen

Und Marcellino hat Angst. Er fürchtet sich vor der Rache der Islamisten. "Es wird weitere Anschläge geben, nicht nur in Spanien, sondern in ganz Europa." Der eigentlich Schuldige daran ist seiner Meinung nach US-Präsident Bush. "Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Welt sind an sich gut, aber Bush ist schlecht, er ist ein Terrorist. Ohne den Irak-Krieg hätte es die Anschläge in Madrid nicht gegeben. Der Krieg hat große Probleme verursacht." Ramon Ferrera kommt mit seinem LKW gerade aus Barcelona, Köln ist das nächste Ziel auf seiner Route. Seine geschiedene Frau und sein kleiner Sohn leben in Madrid. "Als ich von den Anschlägen gehört habe, habe ich gleich bei ihnen angerufen. Gott sei Dank geht es ihnen gut", sagt er merklich erleichtert. Ramon ist überzeugt: "Das war die Eta"

Auch er hat Angst vor neuen Anschlägen: "Alles ist möglich. Große Attentate können in Sevilla oder Barcelona, einfach überall passieren." Zwar leide Spanien seit vielen Jahrzehnten regelmäßig unter Anschlägen, aber die jüngsten seien von neuer Qualität: "So ein großes Attentat mit so vielen Toten hat es noch nie gegeben." Anders als sein Kollege glaubt der junge Mann nicht, dass eine islamistische Gruppe hinter dem Blutbad steckt. "Das war die Eta", ist er überzeugt. Das Tonband mit Koran-Versen in arabischer Sprache, das in der Kleinstadt Alcalá in einem Lieferwagen gefunden wurde, sei eine Finte der baskischen Untergrund-Organisation. "Die Eta hat die Kassette extra in den Wagen gelegt, um den Anschlag der El Kaida anzulasten." Ganz logisch sind seine Ausführungen nicht, trotzdem kommen islamistische Täter für Ferrera nicht in Frage. Doch ob Eta oder El Kaida - die Heimat ist seit Donnerstag eine andere geworden für die beiden spanischen Trucker und ihre Kollegen.

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