Schräge Typen am stärksten gefragt

TRIER. Ein heftiger Hauskrach erschüttert seit Monaten die organisierten Freunde des Deutschen Schäferhunds. Gerader Rücken gegen Fließheck, Gebrauchshund gegen Ausstellungshund, Tradition gegen Vermarktbarkeit: Die Konfliktlinien reichen bis in die Ortsgruppen der Region.

Eigentlich ist Max von Stephanitz an allem schuld. 1899 taufte der Rittmeister seinen bis dato bürgerlichen Musterhund Hektor auf den Adels-Namen "Horand von Grafrath" und gründete am gleichen Tag mit 13 Gesinnungs-Freunden den "Verein für Deutsche Schäferhunde", das "d" selbstverständlich groß geschrieben. Hektor alias Horand stand auch Pate für das kurze Zeit später beschlossene Zuchtbuch samt festgelegten "Rassekennzeichen". Auf der Homepage des Vereins ( www.schaeferhunde.de) findet sich noch heute ein Abbild dieses Urahnen aller Deutschen Schäferhunde: Eine kräftige Gestalt, mit geradem Rücken und fast senkrechten, hoch aufragenden Hinterbeinen. Vergleicht man das historische Foto mit den Galerien der aktuellen Zuchtschau-Sieger, dann fällt auf, dass Hektor heutzutage wohl keine Chance auf eine vordere Platzierung hätte. Der Deutsche Schäferhund 2004 hat ein vom Kreuz abwärts um 90 Grad fallendes Hinterteil, mit Läufen, die so kurz sind, dass man erst bei näherem Hinsehen feststellen kann, ob das Tier steht oder sitzt. "Vorne Hund, hinten Frosch" titelte hundsgemein die renommierte "Welt". Über die Frage nach der korrekten Gestalt des Schäferhunds hat sich der Verband "in zwei kontroverse Lager gespalten", urteilt der Vorsitzende der Ortsgruppe Trier-Porta, Ansgar Kartheiser. Faktisch gebe es "zwei Populationen, die Leistungshunde und die Ausstellungshunde". Auf Bundesebene bekriegen sich die verfeindeten Fraktionen inzwischen mit Hilfe von Gerichten. Ein den "Traditionalisten" nahe stehender Bundeszuchtwart wurde aus dem Amt gemobbt, per Gerichtsbeschluss wieder eingesetzt, anschließend von der Mehrheit abgewählt, während vor der Tür des Versammlungssaals in Augsburg 500 Unterstützer trotz Hundewetters für ihn demonstrierten. Die Kontroverse ist nicht nur ideologisch bedingt, sie hat auch mit handfesten Interessen zu tun. Die Schäferhundezucht ist ein beachtliches Geschäft, vor allem im Export. Und der "Schautyp" mit dem Fließheck lässt sich deutlich besser vermarkten als sein altdeutscher Kollege. So werde der Schäferhund inzwischen "zu 95 Prozent auf Optik gezüchtet", schimpft der Hundesportler Peter Kaufmann aus Heidweiler (VG Wittlich-Land). Traditionelle Tugenden immer weniger gefragt

Traditionelle Tugenden des Gebrauchshundes wie Unterordnung, Fährtensuche, Schutzfunktion seien "immer weniger gefragt". Selbst Abnehmer von Diensthunden legten "zunehmend Wert auf ästhetische Gesichtspunkte". Dass der Verband sich diesen Kriterien anpasse, führe zu einer "Degradierung der Leistungshunde", fürchtet Kaufmann, der sein Geld mit dem Verkauf von Hundesport-Bedarf verdient. Offizielle Verbandsvertreter verweisen hingegen darauf, dass auch die "Ausstellungshunde" bestimmte Leistungskriterien erfüllen müssten, wenn sie begehrte Auszeichnungen erhalten wollten. Dem Geschäftsführer des Trierer Tierschutz-Vereins, Andreas Lindig, wird dagegen hundeelend, wenn er die Produkte der modernen Zucht betrachtet. Die Züchtung nach optischen Kriterien führe bei Hunden "oft zu gesundheitlichen Problemen" im Bewegungsapparat. Dem "normalen Bürger" seien beim Hundekauf "Charakterfestigkeit und Sicherheit wichtiger als das Aussehen". Viele wollen nur einen Designer-Hund

Da ist sich Experte Kaufmann freilich nicht so sicher. Die Zeiten, da sich "kleine Leute oder Familien" einen Rasse-Schäferhund leisteten, seien vorbei. Wer heute ein Zuchttier kaufe, gehöre meist zu den "sozial besser Situierten" und präferiere den vermeintlich eleganteren Designer-Hund. Peter Kaufmann hält es hingegen mit Rittmeister von Stephanitz, der einst postulierte: "Schön ist, was dem Gebrauch dient". An der Basis fürchtet man derweil, über dem Krach könne der ganze Verband auf den Hund kommen. Von "Extremisten in beiden Lagern" spricht Ansgar Kartheiser vom Ortsverband Trier-Porta. Es müsse doch wohl "genug Platz geben für ein geregeltes Nebeneinander". So dürften es die meisten der knapp 400 Schäferhund-Fans sehen, die in den 11 Ortsverbänden der Region Trier organisiert sind. "Schließlich", so sagt Ansgar Kartheiser, "packen wir es vor Ort ja auch, trotz Meinungsunterschieden an einem Strang zu ziehen".

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