Sprachlose Genossen und ausgelassene Christdemokraten

BERLIN. Diesmal hielt bei der CDU der Jubel den ganzen Abend an. Anders als nach der Bundestagswahl vor gut vier Monaten konnten sich die Christdemokraten im Adenauer-Haus in Berlin den gesamten Sonntagabend auf den Grund ihrer guten Laune verlassen. Katerstimmung herrschte dagegen bei den Genossen.

Vorgezogener Aschermittwoch bei der SPD: Die erdrutschartigen Niederlagen der ehedem stolzen Volkspartei in Hessen und Niedersachsen hat den Genossen eine schweren Kater beschert. Generalsekretär Olaf Scholz demonstrierte das am Sonntagabend auf seine Weise: Nach ein paar dürren Worten, in denen er fast trotzig betonte, den begonnenen Reformkurs der rot-grünen Bundesregierung unverdrossen fortzuführen, verschwand der General im Berliner Willy-Brandt-Haus, ohne eine einzige Frage der Journalisten zuzulassen. Die Stimmung in der Parteizentrale erinnerte an die Beerdigungsfeier eines nahen Verwandten, mit dessen Ableben seit längerem gerechnet werden musste. Die Trauer hielt sich aber in Grenzen, "weil es ja zu erwarten war", wie der Juso-Vorsitzende Nils Annen, der als einer der wenigen Genossen überhaupt erschienen war, gefasst zu Protokoll gab. Tatsächlich wusste der SPD-Vorstand seit etlichen Tagen, dass es schlimm werden würde. Die Leute seien so verunsichert durch die (auch von Gerhard Schröder beklagte) "Kakophonie", von dem Hin und Her der Koalition und von den vielen Reform-Vorschlägen, dass mindestens ein Drittel der SPD-Wähler gleich ganz zu Hause bleiben würde. So kam es denn auch, während CDU und FDP ihre Anhänger beinahe vollzählig mobilisieren konnten. Scholz gab (nach einem Telefonat mit Kanzler Schröder in Hannover) zu, dass "unbestreitbar auch bundespolitische Einflüsse" das Wahldesaster verursacht haben. Die SPD werde "die Botschaft, die darin liegt", ernst nehmen und entsprechend berücksichtigen. Scholz mühte sich zu betonen, dass trotz der herben Verluste ja längst nicht alles verloren sei: An der politischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ändere sich ja nichts. Im Bundestag behalte Rot-Grün natürlich die Mehrheit und im Bundesrat ändere sich nur wenig. Juso-Chef Annen sprach dagegen Klartext. Die Vorschläge des neuen Superministers Wolfgang Clement hätten den Wahlkämpfern in Hessen und Niedersachsen "sicher nicht geholfen", meinte Annen. Jetzt müsse man Abschied nehmen von "Lebenslügen" (gemeint waren Schröder und Finanzminister Hans Eichel), einerseits den Haushalt konsolidieren und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen. Rot-Grün brauche nunmehr einen "Neustart". Übersetzt heißt das: So geht es nicht weiter."Doppelte Ohrfeige für den Kanzler"

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer konnte sich gestern drehen und wenden wie er wollte eine Frage wurde er auf der Wahlparty seiner Partei im Konrad-Adenauer-Haus irgendwie nicht richtig los: die P-Frage, die Präsidentenfrage also. Nach den Erdrutschsiegen der Union bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen haben die Christdemokraten nämlich die Möglichkeit, 2004 Johannes Rau als Bundespräsidenten abzulösen. "Über Personalfragen brauchen wir uns jetzt nicht zu unterhalten", wehrte Meyer zwar ab. Wohl wissend aber, dass die Union genau diese Diskussion neben einigen anderen schon längst verfolgt. Ein Doppelsieg für die CDU war das gestern, der in der Parteizentrale schon mit den Prognosen der Fernsehanstalten frenetisch bejubelt wurde. Im Hauptquartier der Union war es so voll wie damals bei der Bundestagswahl, allerdings spürte man einen kleinen Unterschied die Parteianhänger waren sich diesmal sicher, dass es "ein großer und erfolgreicher Tag" werden würde. Und diese Hoffnungen erfüllten sich vollends. "Eine Klatsche für die SPD", kommentierte Generalsekretär Meyer zunächst das Ergebnis die CDU-Vorsitzende Angela Merkel zog es erst zu ARD und ZDF. Später dann trat sie unter donnerndem Applaus vor ihre Parteifreunde. Meyer nannte die Ergebnisse in Hessen und Niedersachsen einen "Supertag für die Union" und eine "doppelte Ohrfeige" für den Bundeskanzler und die SPD. Maßgeblich waren die Wahlen in den beiden Ländern von bundespolitischen Faktoren beeinflusst worden. Auf die Union kommen nun allerdings ebenso spannende Zeiten zu wie auf Rot-Grün. Denn mit den Wahlsiegen steht auch sie vor wichtigen Richtungsentscheidungen welche Strategie wird die Partei beispielsweise im Bundesrat verfolgen, wo sie nun ein satte (Blockade-)Mehrheit hat. "Wir werden unsere Verantwortung wahrnehmen", versprach Meyer, auf Parteitaktik in der Länderkammer zu verzichten.

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