Störenfried im Club der Wirtschaftsforscher

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet zum Jahresende mit einer Stabilisierung der Konjunktur. Zugleich sieht das DIW von einer bezifferten Prognose für das Jahr 2010 ab.

Berlin. Klaus F. Zimmermann spielt im Moment den Provokateur. Die Branche der Makro-Ökonomen befinde sich angesichts der Krise im "Erklärungsnotstand", stellte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin vorab per Presseerklärung fest. Gestern dann der Vollzug: Für 2010 gab sein Institut erstmals keine Konjunkturprognose ab. Jede Zahl, die man jetzt nenne, habe nur eine "sehr geringe Treffsicherheit". Die Vertreter von acht anderen Instituten, die zeitgleich in München zusammensaßen, um genau eine solche Zahl für ihre jährliche Gemeinschaftsdiagnose auszutüfteln, reagierten ungehalten.

Zimmermann wolle die gemeinschaftliche Prognose, die am 23. April wie jedes Jahr in Berlin präsentiert werden soll, nur im vorhinein "entwerten", wurde aus diesem Kreis kolportiert. Das sei seine Rache dafür, dass das DIW 2007 nicht wieder in den Kreis der Gutachter aufgenommen wurde - "wegen schlechter Prognosen", wie es seitens der Konkurrenten süffisant hieß. Im Club der Wirtschaftsforscher wird derzeit offenbar mit allen Mitteln gekämpft. Es geht um Ansehen und Aufträge.

Zimmermann hat freilich das Argument für sich, dass alle Institute, auch sein eigenes, im Herbst die Krise völlig falsch einschätzten. So ging die Gemeinschaftsdiagnose für 2009 von einem Minuswachstum von 0,2 Prozent, im schlechtesten Fall minus 0,8 Prozent, aus. Tatsächlich wird daraus, wie Zimmermann gestern vorrechnete, in diesem Jahr wohl ein Einbruch von 4,9 Prozent. Deutschland ist damit nach Japan das von der weltweiten Rezession am stärksten betroffene Land - wegen seines hohen Exportanteils. Für 2010 sprach das DIW nur von "Grundlinien" der Entwicklung, ohne Zahlen zu nennen. Demnach könnte sich der Abschwung Ende 2009 abschwächen und im nächsten Jahr wieder eine leichte Belebung eintreten. Konkrete Zahlen werde man erst wieder nennen, wenn man eine größere Sicherheit über die Entwicklung habe, sagte Zimmermann.

Der Ökonom Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie, der ebenfalls an der Gemeinschaftsdiagnose mitwirkt, räumte ein, dass die Auswirkungen der Finanzkrise von der Branche nicht richtig eingeschätzt worden seien. Ein genereller Verzicht auf Prognosen aber verstärke nur die Unsicherheiten. "Davon, dass die Alarmanlage ausgeschaltet wird, geht der Dieb ja auch nicht weg." Die Ökonomen sollten lieber Risiken zugeben und mit verschiedenen Szenarien arbeiten, sagte Horn.

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