Verbrecher kennen keine Grenzen - Größere Erfolge ohne Grenzkontrollen in Europa

Trier · Aus der Politik taucht immer wieder der Wunsch nach der dauerhaften Wiedereinführung von Grenzkontrollen zur Verbrechensbekämpfung auf. Doch Grenzschützer wissen, dass die positiven Seiten des Schengener Abkommens überwiegen.

Ein Foto aus alten Tagen von vor rund drei Jahrzehnten, hier von der Luxemburger Seite von Wasserbillig aus gemacht: Der Schlagbaum war zwar schon verschwunden, die Grenzpolizisten taten allerdings noch ihren Dienst. Und heute? Steht selbst das Grenzhäuschen nicht mehr. Foto: Archiv Bundespolizei

Ein Foto aus alten Tagen von vor rund drei Jahrzehnten, hier von der Luxemburger Seite von Wasserbillig aus gemacht: Der Schlagbaum war zwar schon verschwunden, die Grenzpolizisten taten allerdings noch ihren Dienst. Und heute? Steht selbst das Grenzhäuschen nicht mehr. Foto: Archiv Bundespolizei

Foto: (g_pol3 )
Ein Foto aus noch älteren Tagen: Das nachkolorierte Bild zeigt den preußischen Truppenabzug nach dem Ende des Ersten Weltkrieges über die alte Grenzbrücke von Echternach aus nach Echternacherbrück. Foto: Archiv Bundespolizei

Ein Foto aus noch älteren Tagen: Das nachkolorierte Bild zeigt den preußischen Truppenabzug nach dem Ende des Ersten Weltkrieges über die alte Grenzbrücke von Echternach aus nach Echternacherbrück. Foto: Archiv Bundespolizei

 Volker Barth (links) und Bernhard Marquenie arbeiten seit Ende der 1970er Jahre als Grenzschützer. Selbst an der deutsch-deutschen Grenze haben sie noch Dienst getan und wissen heute, wie wertvoll das Schengener Abkommen für ihre Arbeit bei der Bundespolizei ist. TV-Foto: Sabine Schwadorf

Volker Barth (links) und Bernhard Marquenie arbeiten seit Ende der 1970er Jahre als Grenzschützer. Selbst an der deutsch-deutschen Grenze haben sie noch Dienst getan und wissen heute, wie wertvoll das Schengener Abkommen für ihre Arbeit bei der Bundespolizei ist. TV-Foto: Sabine Schwadorf

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Stellen Sie sich vor, Grenzkontrollen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn Luxemburg, Belgien, Frankreich und den Niederlanden würden wieder für alle dauerhaft eingeführt: Sie müssen an der Grenze Ihren Pass bereithalten, müssen damit rechnen, rechts ranfahren und den Kofferraum öffnen zu müssen, den Reisekoffer auszuleeren und Ihren Einkauf begutachten zu lassen, auf dem Weg zur Arbeit als Grenzgänger Zeit zu verlieren - jeden Morgen, jeden Abend, jeden Tag. Nicht vorstellbar? Dies war noch vor wenigen Jahren Usus, und erst mit dem Schengener Abkommen hat Reisefreiheit in Europa Einzug gehalten.

Dennoch gibt es heute wieder Grenzkontrollen: Wegen der hohen Flüchtlingszahlen hat Deutschland im September 2015 als erstes Schengenland Kontrollen an der Grenze zu Österreich eingeführt. Dabei ist zwischen den Ländern des Schengenraumes eigentlich ungehindertes Reisen möglich. Und: Geht es nach deutschen Politikern wie Innenminister Thomas de Maizière, sollen die Kontrollen nicht nur verlängert, sondern verschärft werden. Eine Chance auf bessere Verbrechensbekämpfung und Vorbeugung illegaler Einreise?

Diejenigen, die sich mit Passkontrollen, Grenzen und den Folgen politischer Entscheidungen auskennen, sind Grenzbeamte wie Bernhard Marquenie und Volker Barth von der Bundespolizei in Trier. Sie sind schon seit gut vier Jahrzehnten im Grenzschutz aktiv. "Wir haben uns von einer Kontrollpolizei am Schlagbaum zu einer Fahndungspolizei entwickelt", weiß Volker Barth (57), Polizeihauptkommissar und Gruppenleiter der Fahndungsgruppe Trier. Die Polizei habe immer die Auswirkungen politischer Entscheidungen zu tragen und gerade im Grenzschutz "lernen müssen zusammenzuwachsen", sagt er. Barth hat seine Arbeit 1976 an der innerdeutschen Grenze begonnen, ist damals gar auf Skiern an der tschechischen Grenze Streife gelaufen.

Dass Verbrecher auch vor geschlossenen Grenzen nicht haltmachen, weiß niemand besser als Volker Barth. Als der Wirtschaftsfunktionär Hanns-Martin Schleyer 1977 von RAF-Terroristen in Köln entführt und in Ostfrankreich ermordet aufgefunden wurde, war Barth zum verstärkten Grenzschutz am Übergang Kehl/Straßburg im Einsatz: "Die Wahrscheinlichkeit, heute einen Verbrecher zu fassen, ist weitaus größer als früher. Denn wir sind mobiler und flexibler." Dafür ist die Eigensicherung der Beamten mit Handschellen, Pistole, Gummischlagstöcken und Pfefferspray nun wichtiger Teil der Arbeit.

"Wir sind weggekommen von einem starren System an den Grenzen hin zu komplexeren Aufgaben", erklärt Bernhard Marquenie (56) vom Ermittlungsdienst der Bundespolizeiinspektion Trier. Ob Karneval, Fußballspiele, Terroranschlag oder Bahnunglück: Nun würde mit Ziel, Zweck und Anlass zeitlich begrenzt in einem Umkreis von 30 Kilometern kontrolliert. War vor einigen Jahrzehnten der Grenzschutz gerade mal in vier Paragrafen gesetzlich verankert, sind es heute mehr als 60 Paragrafen. Denn Aufgaben und Zuständigkeiten sind erweitert. Dazu tun bei der Bundespolizeiinspektion Trier etwa 260 Mitarbeiter ihren Dienst, die für 60 Prozent des rheinland-pfälzischen Territoriums zuständig sind. Dies betrifft neben dem Standort Trier auch den Bahnhof Koblenz und die Außenstellen in Prüm und am Flughafen Hahn.

Auch Marquenie hat zu Anfang seiner Berufskarriere an der innerdeutschen Grenze mit Wachtürmen und meterhohen Zäunen Dienst getan, hat später den Bundestag in Bonn geschützt. "Schengen war mein Glück", sagt er heute. Nicht nur, weil er mit der Eröffnung der Autobahngrenze in Mesenich 1987 wie viele Grenzbeamte zunächst befristet und dann dauerhaft als sogenannter "Verstärker" im Grenzschutz eingesetzt wurde. In Luxemburg hat er auch seine Frau gefunden. Wo früher der Schlagbaum Deutschland und Luxemburg voneinander trennte, in Wasserbillig, hat Marquenie eine neue Heimat gefunden.
Waren einst die Kontrolle von Pass und Aufenthaltsrecht die Hauptaufgabe der Grenzbeamten, so geht es jetzt darum, "unberechenbar" zu sein. "Zwar gab es vor Schengen weniger illegale Einreise als heute und feste Zeiten und Orte, an denen kontrolliert wurde", sagt Marquenie, "dafür können wir heute, mit größerer Freizügigkeit, jederzeit zuschlagen."

Das heißt, Barth, Marquenie und die Kollegen müssen schnell sein und schnell viel über ihr Gegenüber wissen. Durch Schengen sind mehr und verschiedenere Dokumente zwischen den Staaten im Umlauf, unterscheiden sich Titel wie Aufenthaltserlaubnis, Duldung oder Staatsangehörigkeit von Land zu Land. "Unsere Arbeit ist internationaler geworden", sagt Marquenie. Blätterte der Ermittler einst in einem Fahndungsbuch, ausgedruckt auf Papier, arbeitet er heute mit der gemeinsamen Stelle der grenzüberschreitenden Polizeiarbeit in Luxemburg, dem Schengener Informationsystem (SIS) zur einheitlichen Einreiseabwicklung und EU-Haftbefehlen, so dass per Funk und Handy oft nur 30 Sekunden vergehen, bis die nötigen Infos von ausländischen Kollegen die Grenzschützer erreichen. Volker Barth: "Wir werden allmählich eine europäische Polizei."

Angesichts der Tatsache, dass die Politik vielfach dauerhaft Grenzkontrollen fordert und damit die Schengener Abkommen ausgehebelt würden, haben die altgedienten Grenzbeamten gute Gegenargumente: "Viele, die das fordern, wissen gar nicht, dass wir durch die offenen Grenzen größere Erfolge haben", sagt Volker Barth. Und Bernhard Marquenie ergänzt: "Man kann das Rad nicht wieder zurückdrehen. Nie gab es so lange Frieden wie derzeit. Die Grenze ist ja nicht aufgelöst, und jeder Staatsbürger, der die Grenze übertritt, muss einen Ausweis mitnehmen. Stellen Sie sich aber vor, die Autobahn nach Luxemburg wäre morgens um 7 Uhr wegen einer Vollkontrolle gesperrt: ein Chaos, das wir gar nicht handeln könnten!"

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