Von ganz unten nach ganz oben

MONZA. Wenn nicht alles täuscht, geht in diesem Jahr die erfolgreichste Karriere in mehr als einem halben Jahrhundert Formel-1-Geschichte zu Ende. Allgemein wird damit gerechnet, dass Michael Schumacher am Sonntag nach dem "Großen Preis von Italien" seinen Rücktritt zum Saisonende bekannt geben wird.

Die Fakten sind bekannt. Sieben Mal Formel-1-Weltmeister, so viel wie kein anderer vor ihm. Davon alleine fünf Titel in Folge von 2000 bis 2004 mit dem italienischen Traditionsrennstall Ferrari. Davor zweimal (1994, 1995) mit Benetton. Geschätztes Jahresgehalt summa summarum mindestens 50 Millionen Euro. Doch welcher Mensch steckt hinter dem nackten Daten-Machwerk? Ein Besessener, ein Genie, oder vielleicht auch irgendwo noch der groß gewordene Junge aus dem Rheinland, der zum Idol für Millionen rund um den Erdball wurde? Eine unvergleichliche Karriere. 16 Jahre Formel 1, eine Geschichte, die 1991 im Jordan beim Großen Preis von Belgien begann und womöglich am 22. Oktober 2006 beim Großen Preis von Brasilien enden wird. Geboren am 3. Januar 1969 in Hürth-Hermühlheim, wurde er mit dem Motorsport groß, saß mit vier Jahren zum ersten Mal im Kart, fuhr mit 14 die ersten Rennen. Über die Nachwuchsklassen Formel König, Formel Ford und Formel 3 führte ihn sein Weg über die Sportprototypen-WM 1990 schließlich in die Königsklasse des Motorsports. Da war er gerade mal 21 und hatte doch schon einen langen Weg hinter sich. Und Charakterzüge offenbart, die es ihm später ermöglichten, alle Grenzen und Rekorde in der Formel 1 zu sprengen. Schumacher, von Fans und Boulevard-Presse auf "Schumi" reduziert, kam von ganz unten nach ganz oben. Als Steppke zog er die "abgelutschten" Kart-Reifen der Söhne besser verdienender Eltern aus dem Papierkorb und fuhr ihnen damit dennoch um die Ohren. Er fuhr, wenn andere längst aufgehört hatten. Wieder und immer wieder. Nur ein Ziel vor Augen: Besser und schneller als alle anderen zu sein. Mit diesem Ehrgeiz, den die Besessenheit fast schon auffraß, trieb er von 1996 bis zum Jahr 2000 dem Pleiten-, Pech- und Pannenrennstall aus Maranello den Hang zum "Dolce Vita" aus und machte aus den italienischen Müßiggängern der Scuderia eine teutonische "Schumeria". Eiserne Disziplin, sich selbst, aber auch seinem gesamten Umfeld abverlangend, war und ist für ihn Dogma und Selbstverständlichkeit zugleich. Die fünf Weltmeister-Titel von 2000 bis 2004 entspringen seiner Fähigkeit, das "Im-Kreis-Fahren" unter permanentem Einsatz aller Möglichkeiten zu perfektionieren. In der Glitzerwelt von Girls und Glamour hat der nach dem kleinen großen Glück der Geborgenheit verlangende Michael Schumacher immer nur so viel von sich selbst preis gegeben, wie unbedingt nötig war, und sich selbst sein Refugium erhalten, das da heißt: Familie. Corinna, die Ex-Freundin seines damaligen Konkurrenten Heinz-Harald Frentzen, wurde die Liebe seines Lebens, die beiden Kinder Mick und Gina Maria sind sein Lebensinhalt. Und doch ist Schumacher nicht der Be- und Versessene, der sich im Lauf der Jahre einen virtuellen Schutzmantel aus Unnahbarkeit umgelegt hat. Fußball spielen mit den Formel-1-Kumpels, mit der Harley über einsame Highways zu fahren oder Entspannung in der Einsamkeit der skandinavischen Wälder zu suchen: Auch das, und vielleicht mehr als wir alle ahnen, ist der Mensch, der einmal über sich selbst gesagt hat: "Ich fahre nur noch aus Spaß am Rennen. Der wichtigste Titel war der mit Ferrari im Jahr 2000. Alles andere war Zugabe." Eine bemerkenswerte Zugabe allerdings.WEITERER BERICHT SPORT SEITE 18

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