WITTLICH Rote Laterne mit Ketchup und Mayo

WITTLICH · Wie das Kicker-Kult-Duo Hans Sarpei und Peter Neururer am Sonntag bei einem Kreisligaspiel des SV Flußbach (Kreis Bernkastel-Wittlich) seine Spuren hinterlassen hat.

 Prominenz auf und vor der Bank: Der Mosel-Kreisligist Flußbach wurde beim Spiel in Wittlich von Ex-Profi Hans Sarpei (links) und vom früheren Bundesliga-Trainer Peter Neururer betreut.

Prominenz auf und vor der Bank: Der Mosel-Kreisligist Flußbach wurde beim Spiel in Wittlich von Ex-Profi Hans Sarpei (links) und vom früheren Bundesliga-Trainer Peter Neururer betreut.

Foto: Sebastian J. Schwarz/sjs / Sebastian J. Schwarz

Am Ende hüpften alle ausgelassen wie die kleinen Kinder im Kreis. Mit Stubbis bewaffnet schmetterten sie vor der voll besetzten kleinen Holztribüne mit der leicht verwitterten Aufschrift „Stadion am Bürgerwehr“ voller Inbrunst das Lied von der roten Laterne. Die Spieler des SV Flußbach, einem kleinen Verein aus der neunten  Liga, ließen in diesem kleinen Moment der flüchtigen Glückseligkeit alles hochleben, was sich nicht dagegen wehren konnte: Den 1:0-Sieg im Kellerderby gegen die „Zwote“ aus Niederemmel, die beiden Drei-Tage-Trainer Hans Sarpei und Peter Neururer und irgendwie auch ein bisschen sich selbst.

„Die jungen Burschen sind ja alles Internet-Junkies. Einer hatte wohl die Idee – und dann nahm das Ganze seinen Lauf“, schildert Jürgen Haier, der zweite Vorsitzende des SV Flußbach, wie es zum Besuch der Sport1-Delegation mit Kameras, Mikrofonen und mobiler Tribüne kam. Für drei Tage war das kleine Flußbach, derzeit (noch) ohne eigenen Heimspielplatz, plötzlich Teil der großen weiten Tele-Fußballwelt. In der vierten Staffel flimmert jetzt die fußballerische Amateur-Soap „Das T steht für Coach“ mit dem ehemaligen Bundesliga-Profi Hans Sarpei und seit etwas mehr als einem Jahr auch mit Kult-Trainer Peter Neu­rurer über den Bildschirm des Spartensenders Sport1.

Und so kam, was nach dem Willen ihrer Initiatoren kommen und Wirklichkeit werden sollte: Beide „Promis“ waren für drei Tage die Stars zum Anfassen in diesem Mini-Trainingscamp. Beim Vorletzten  in der Mosel-Kreisliga B. Dort, wo der Fußball zu Hause ist. Wo in der Halbzeitpause über Stubbi und  Bratwurst aus der Bude statt über Lachsschnittchen in den Logen oder den Videobeweis aus dem Hightech-Studio palavert wird.

„Das Team kam am Freitag. Zweimal wurde freitags und samstags trainiert. Zwischendurch hatten wir noch einen Riesenspaß auf der Kartbahn“, erzählt Flußbachs Spielertrainer Oleg Tintor. Der 36-Jährige, zuvor beim SV Morbach und dem FSV Salmrohr in höheren Amateur-Klassen aktiv, sah das Ganze zwar auch als Spaß, aber nicht nur als reine Jux-Aktion.

„Wenn so ein Peter Neururer, der in seiner langen Karriere unter anderem Schalke 04 trainiert und mit dem VfL Bochum im Europapokal gespielt hat, dir etwas sagt, dann hörst du schon zu.“ Er und Sarpei, sagt Flußbachs Spielertrainer, „sehen halt die kleinen Fehler viel akribischer und geben Tipps, wie man sich verbessern kann.“ Auch und vor allem dann, wenn man (höchstens) zweimal in der Woche für maximal 90 Minuten trainieren kann.

Für Haier und seinen Verein, derzeit mit viel Eigenleistung und finanzieller Zusatzleistung von rund 25 000 Euro dabei, das Exil-Dasein ohne eigene Heimspiel-Stätte zu beenden, war jede Menge Arbeit an diesem für den Verein so denkwürdigen Wochenende angesagt. „Aber nachdem die Zusage vom Sender kam, haben wir das natürlich auch durchgezogen.“ Das mittelfristige Ziel, so bestätigen Spielertrainer und Vorsitzender gleichermaßen, sei es, „in absehbarer Zeit in Flußbach selbst Fußball zu spielen.“

Da war das spektakuläre Fernseh-Date als Sahneklecks auf dem trockenen B-Liga-Kranzkuchen eine willkommene Abwechslung. Bange Skeptiker zuvor wurden alsbald eines Besseren belehrt. Deutschlands telegenste Fußball-Romantiker entpuppten sich weiß Gott nicht als lediglich auf Eigen-Vermarktung bedachte Slapstick-Trainer für ein Wochenende.

Neururer (62) und Sarpei (41): Das klingt so ein bisschen nach Kirmes-Fußball. Ist es aber nicht, wenn man am Sonntag während der 90 Minuten genau hingeschaut hat. Das war natürlich Unterhaltung im besten Sinne, aber eine mit fachlich belegtem Hintergrund. Beide Coaches griffen zettelbewaffnet vom Spielfeldrand aus ein. Sie dirigierten, korrigierten. Nicht überheblich, sich mit den Händen an den Kopf greifend, sondern auf einer Ebene mit den B-Liga-Kickern kommunizierend.

Sarpei, der nach seinen Bundesliga-Zeiten in Schalke, Leverkusen und Wolfsburg zum Kultkicker und Social-Media-Star wurde, und Neu­rurer, unkonventionelles Sprachrohr der Trainergilde und omnipräsenter Experten-Hansdampf in allen Medien-Gassen: Diese Mischung passt im Wahrnehmungsbild der Öffentlichkeit  anscheinend wie Ketchup und Mayo auf die Pommes:

Und „Peter der Große“ nimmt wie immer kein Blatt vor den Mund. Sagt auch dieses Mal, wo es im wahrsten Sinn des Wortes brennt. „Der Fußball muss aufpassen, dass er sich nicht immer mehr von seiner Basis entfernt. Die Fans merken doch, dass sie immer mehr zu Randfiguren in diesem Milliarden-Geschäft werden. In der Kreisklasse hat der Fußball seine Wurzeln. Hier ist nichts gekünstelt, hier kannst du auch noch etwas rüberbringen. Und deswegen macht so etwas auch so viel ehrlichen Spaß.“

Und genau deswegen passt auch nur bei solchen trivial-ehrlichen Anlässen auch mal rote Laterne mit Ketchup und Mayo zusammen.

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