Stadtentwicklung Bitburgs Zukunft – mal schwarz-weiß, mal richtig bunt

Wo steht Bitburg 2028? Der TV wagt ein Experiment: Wir entwerfen zwei extreme Szenarien. Zwischen düsterem Stillstand und farbenfroher Dynamik bleibt Raum zum Nachdenken.

 Blick auf Bitburg (Archivbild)

Blick auf Bitburg (Archivbild)

Foto: Portaflug

Von Lars O. Ross

Ach, was waren das noch Zeiten, als noch amerikanische Soldaten mit ihren Familien in  der Housing lebten, oder kurz danach, als noch die Hoffnung bestand, dass eine Landesgartenschau dort, quasi von Mainz bezahlt, blühende Landschaften entstehen lässt. Beides ist längst Vergangenheit.

Das Areal, an das Optimisten, als es 2017 von den Amerikanern an die Bundesrepublik zurückgegeben wurde, viele Hoffnungen knüpften, hat in der Folge vor allem eines gezeigt: Ohne mutige Pläne und Visionen, aus denen Führungswille und -kraft erwachsen, ist eine solche Aufgabe nicht erfolgreich zu bewältigen.

Genau daran fehlte es jedoch in der Stadt in den Jahren nach der Rückgabe des Geländes. Eine Arbeitsgruppe tagte lange und praktisch, ohne konkrete Ergebnisse zu zeitigen. So verscherbelte die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (Bima) die Wohnblöcke schließlich Stück für Stück zu immer schlechteren Preisen.

Das Ergebnis: Bitburg wuchs zwar bis 2025 kräftig weiter. Dennoch stagnierten die Mietpreise, die bis 2017 stetig gestiegen waren. Gut für Mieter mit kleinem Geldbeutel, aber schlecht für Investoren, die in den Zehner-Jahren des Jahrhunderts für einen echten Bauboom in der Stadt gesorgt hatten.

Aber das für die Südeifel riesige zusätzliche Angebot an Wohnungen in den Wohnblocks zog anders als in den Vorjahren nicht gut situierte Senioren an, die die Infrastruktur der Stadt schätzen, und auch keine Menschen, die in  Luxemburg gutes Geld verdienen. Kurz gesagt: Die ehemalige Housing wird immer stärker zu einem sozialen Brennpunkt in der Stadt.

Da hat auch der Neubau des Krankenhauses in direkter Nachbarschaft - es war das Großprojekt der frühen Zwanziger Jahre - nicht geholfen. Die Verlagerung der Klinik von der Innenstadt in den Außenbereich wurde nötig, weil der Stadtrat den Standort der Südschule für unabänderlich erklärte und damit dem Krankenhaus jede weitere Entwicklungsmöglichkeit am alten Standort nahm.

Wirklich weh tat dieser Schritt den  Einzelhändlern in der Innenstadt, von denen viele zuvor noch das Beharren der Stadt auf dem Südschulstandort heftig beklatscht hatten, weil dadurch 20 Parkplätze neben der Schule „gesichert“ wurden. Nach dem Umzug fiel auf, dass ein großer Teil der mehr als 1000 Menschen, die die Klinik täglich allein als Besucher aufgesucht hatten, nun plötzlich auf Merlick waren und sich gar nicht mehr auf den Weg in die Innenstadt machten.

Ebenfalls zur Freude mancher selbsternannter Beschützer der Innenstadt hatte der Rat bei der Planung der Bit-Galerie zwischen Beda-Platz und Fußgängerzone immer neue Bedingungen aufgestellt, so dass das Projekt am Ende fallen gelassen wurde, weil die Investoren einfacher umsetzbare Felder ausmachten und entnervt aufgaben.

Eine der Folgen dieses Scheiterns war ein weiter anhaltender Stillstand rund um den Beda-Platz. Vorschläge zu einer behutsamen Neugestaltung mit etwas weniger Verbundpflaster und etwas mehr Grün scheiterten an der Furcht gewichtiger Gruppen in Politik und Gewerbe, dass der Verlust von mehr als 30 Parkplätzen zum Untergang Bitburgs führen könnte. So blieben die Parkplätze, auch die Kiesplätze rund um den Platz und selbst die Gebäude im Besitz der Stadt an der Gartenstraße – alles unverändert, außer, dass das alte Aldi-Gebäude inzwischen baufällig ist.

Was sich trotz der scheinbar „innenstadt-freundlichen Politik“ verändert hat, ist die Leerstandsquote, die liegt nämlich in der Hauptstraße bei rund 45 Prozent – mit anderen Worten: Die Bitburger Innenstadt ist praktisch tot.

„Gut so“, sagen bitterböse Spötter: „Dann fällt es nicht auf, dass die Stadt auch im Jahr 2028 noch kein schlüssiges Verkehrskonzept erarbeitet, geschweige denn ein solches umgesetzt hat.“

Von Dagmar Schommer

Das kann sich sehen lassen: Bitburg 2028 ist eine bunte, liebenswerte Stadt. Eine Stadt, die in nur zehn Jahren über sich hinausgewachsen ist. Kern der Entwicklung: die Umnutzung der Housing. Kein Zaudern und Zögern: Der Stadtrat macht 2018 Nägel mit Köpfen. Zusammen mit Kreis und Bund wird das Gelände vermarktet. Es entsteht Platz für Wohnen, Arbeiten, Bildung und Freizeit – mit einem schönen, großen Park in der Mitte.

Dort entsteht ein neues Stadtviertel. Eins, in dem sich Familien und junge Singles ebenso wohl fühlen wie Senioren. Die Initiative Baukultur Eifel zeichnet einige der neuen Mehrfamlienhäuser in der Housing aus. Sie sind hochwertig gebaut, geschmackvoll und einfallsreich: So gibt es etwa eine Anlage, die vom Baustil her an einen großen Gutshof erinnert, in der sich eine Senioren-WG eingerichtet hat.

Aber die Housing ist mehr als ein neues, bei Investoren wie Mietern und Käufern begehrtes Wohnviertel: Dort gibt es dank einer Kooperation mit der Universität Luxemburg eine Sprachschule und eine Schule für Pflegekräfte. Letztere wird auf Initiative des Landes Rheinland-Pfalz in Bitburg angesiedelt, da die Stadt ja 2015 trotz einer hochkarätigen Bewerbung beim Rennen um die Landesgartenschau das Nachsehen hatte.

Bitburg, das ja nicht mit historischer Bausubstanz glänzen kann, besinnt sich auf seine Stärken: Dynamik, Tatkraft und Mut. Selbstbewusst formieren sich die Arbeitgeber im Wettbewerb um Fachkräfte unter der Dachmarke Eifel – und entwickeln die Idee, Schulen für Handwerksmeister in der Housing anzusiedeln.

Ende 2018 steht der Plan für die ersten beiden Meisterschulen: eine für Mechatroniker und Kraftfahrzeugmechaniker sowie eine für Schreiner. Beide genießen keine fünf Jahre später bundesweit einen excellenten Ruf, weshalb es talentierte Handwerker aus ganz Deutschland nach Bitburg zieht – und viele bleiben gerne, einfach, weil’s schön ist: Natur, Kultur, kleine Stadt, pralles Leben.

Handwerk und Handel florieren. Mit den Schulen kommen die jungen Leute und mit den jungen Leuten die Musikkneipen, Cocktailbars, Tanzlokale und etliche größere und kleine Restaurants, edle wie einfache. Auch Luxemburger zieht es für ein Fünf-Gänge-Menü mal nach Bitburg. Die Stadt wird Treffpunkt. Und die ersten Studenten, denen es mit den überteuerten Besenkammer-Wohnungen in Trier reicht, entdecken für sich die Eifel.

Die Bit-Galerie eröffnet 2020. Das Einkaufszentrum wird zum Magnet. Von dem Besucherzustrom profitieren auch die übrigen Geschäfte in der Fußgängerzone. Bitburg baut seine Stellung als Markt- und Handelsplatz aus. Ob Designerkleidung, Second-Hand-Läden oder Galerien für moderne Kunst: Das Sortiment wird bunter, die Kundschaft größer.

Die Bauarbeiten für das letzte Stück der Nord-Ost-Tangente laufen. Mit der großen Umgehungsstraße gelingt es, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt herauszuhalten. Und jetzt kommt’s: Der Stadtrat fasst den Beschluss, den Innenstadtring wieder einzuführen! Diesmal aber nicht halbherzig wie 2013. Keine Testphase, sondern man geht mutig gleich aufs Ganze. Ergebnis: Die Trierer Straße, lange Stiefkind der Innenstadt, wird zur mit Bäumen gesäumten Einkaufsmeile, und es entsteht Platz für Radwege und Ruhezonen. E-Bikes werden zum Renner in der Stadt, die mit ihrem Gefälle für weniger sportliche Radfahrer eine Herausforderung ist.

Apropos Sport: Auf dem Müller-Flegel-Gelände eröffnet ein Sport- und Wellnesshotel, der Eifel-Tourismus boomt, Wanderer kommen auch im Winter. Das Krankenhaus hat sich zu einem Gesundheitszentrum mit Reha-Klinik und Kur-Möglichkeiten entwickelt. Ernährungsberatung, Akupunktur, Fastenkur oder Yoga: Bitburg ist nicht nur Bier-, sondern  auch Gesundheitsstadt. Na, dann: Prost Neujahr!

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