Caritas Westeifel „Eine große Verunsicherung“: Warum mehr Verbraucher Rat und Hilfe suchen

Eifelkreis/ Vulkaneifel · Die Corona-Pandemie hat deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Viele Verbraucher und ihre Familien leiden unter Einkommenseinbußen und gleichzeitig heizen steigende Energie- und Lebensmittelpreise die Inflation an. Damit wächst die Bedrohung, in Armut zu geraten. Zeichnet sich das schon bei der Schuldnerberatung ab?

Inflation, Energiepreise: Mehr Verbraucher suchen Hilfe bei Schuldnerberatung der Caritas Westeifel
Foto: dpa/Angelika Warmuth

Der Druck auf die Verbraucher steigt. Das nehmen die Schuldnerberater bei der Caritas Westeifel wahr. Die Anzahl der Hilfesuchenden in den Beratungsstellen in Prüm, Daun und Bitburg steige seit Sommer sehr stark an, berichtet Birgit Schmiegel, Schuldnerberaterin in Daun. „Ich spüre eine große Verunsicherung und eine steigende Verzweiflung.“ Die resultiere aus steigenden Energiekosten. Mieter seien nicht in der Lage, Nachzahlungen zu stemmen oder eine Verdopplung der Nebenkosten zu zahlen.

Inflation und gestiegene Energiekosten erhöhen den finanziellen Druck

Auch im Eifelkreis zeichnet sich das ab. Menschen kommen mit den Abrechnungen über höhere Stromkosten, berichtet Marianne Johanns von der Schuldnerberatung in Bitburg. „Nächstes Jahr werden wir die Auswirkungen sehr stark spüren“, prognostiziert sie. Die Menschen kommen in der Regel nicht sofort, wenn sie unter existenziellen Druck geraten. Daher lassen sich die Folgen der Inflation erst zeitverzögert ablesen. „Aber wir nehmen jetzt schon starke Ausschläge wahr. Die Spitzen der Eisberge sind zu sehen, die Wellen kommen an. Es wird schlimmer durch die Energiekosten“, sagt Andreas Rötering, Leiter des Fachbereichs Soziale Sicherung und Teilhabe bei der Caritas, zu dem die Schuldnerberatung gehört

735 Personen haben sich im Eifel- und Vulkaneifelkreis im vergangenen Jahr bei der Caritas beraten lassen. Sieben Mitarbeiter teilen sich die 4,75 Stellen, die für beide Landkreise zur Verfügung stehen. Die Nachfrage ist so hoch, dass Hilfesuchende nach einem Erstgespräch sechs Monate auf eine Beratung warten müssen. „Der Andrang ist so groß, dass wir ihn nicht bewältigen können. Wir bräuchten doppelt so viele Stellen“, so Rötering.

 Angesichts steigender Preise suchen mehr Menschen Schuldnerberater auf, weil ihr Einkommen nicht mehr ausreicht, um die Lebenshaltungskosten und Rechnungen zu begleichen.

Angesichts steigender Preise suchen mehr Menschen Schuldnerberater auf, weil ihr Einkommen nicht mehr ausreicht, um die Lebenshaltungskosten und Rechnungen zu begleichen.

Foto: dpa-tmn/Monique Wüstenhagen

Was bringt da das jüngst beschlossene Unterstützungspaket, mit dem die Bundesregierung die Bürger entlasten will? „Mal abwarten. Ob es reicht, kann ich nicht einschätzen. Das Gießkannenprinzip finde ich schwierig, weil alle gleichermaßen profitieren, wobei es Geringverdiener mehr nötig haben als andere. Auch scheint es dadurch motiviert zu sein, die breite Bevölkerung sanft zu stimmen und größere Proteste zu vermeiden“, meint Andreas Rötering.

Immer weniger Rücklagen

Wer zu ihm und seinen Kollegen kommt, bei dem geht es um Existenzsicherung. „Da sind erstmal Behörden wie Jobcenter und Sozialamt in der Pflicht“, sagt Birgit Schmiegel. Dann kommt die Schuldnerberatung ins Spiel, die dabei hilft, die Schulden zu regulieren. Einen großen Teil nimmt die Budget- und Haushaltsberatung ein. Ziel ist es, die Betroffenen langfristig in die Lage zu versetzen, dass sie mit dem Einkommen, das ihnen zur Verfügung steht, auskommen. Im Idealfall sollte dann noch etwas für Rücklagen übrig bleiben. Das werde immer schwieriger, stellt die Beraterin fest.

2021 waren 45 Prozent der Hilfesuchenden Arbeitnehmer und Beamte

Was sie auch merkt, ist, dass sich die Klientel verändert. Keinesfalls kommen nur arbeitssuchende Grundsicherungsempfänger in die Schuldnerberatung. Die Zahlen aus Daun halten für 2021 fest, dass 45 Prozent der Hilfesuchenden Arbeitnehmer und Beamte waren. Immer mehr Anrufer gehören zur unteren Mittelschicht. „Es sind nicht mehr nur die Leistungsempfänger und die mit einem niedrigen Einkommen, sondern inzwischen auch Menschen, die bis jetzt ein auskömmliches Einkommen hatten“, berichtet Schmiegel.

Der aktuelle Schuldner Atlas Deutschland hat erhoben, dass der „finanzielle Stress“ deutlich zunimmt. Im Oktober 2021 lag der Anteil der Verbraucher, die „in den letzten 12 Monaten schon einmal das Gefühl hatten, dass ihnen die finanziellen Verbindlichkeiten über den Kopf wachsen könnten“, bei fast 13 Prozent (12,9 Prozent) und erreicht damit den höchsten Wert seit August 2020.

Ein hohes Risiko tragen Rentner, sehr junge Leute und Alleinerziehende

Menschen, die von Niedrigeinkommen, Arbeitslosigkeit oder Scheidung betroffen sind, können weitere Einschläge von außen nur schwer kompensieren. Ein hohes Risiko tragen Rentner, sehr junge Leute und Alleinerziehende. Aber auch Familien mit Kindern. Ein großes Problem seien die steigenden Mieten in den beiden Landkreisen. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, sagen die Beraterinnen unisono. Wer zu ihnen kommt, hat ein durchschnittliches Haushaltseinkommen von 1375 Euro und muss davon allein 52 Prozent für die Wohnung ausgeben.

Aber auch der Immobilienbesitz führt gerade auf dem Land, wo jeder am liebsten sein eigenes Haus baut, in die Verschuldung. Denn oft werde ein Kredit aufgenommen, obwohl die finanziellen Ressourcen nur sehr knapp seien. Die kleinste Krise, wie ein Anstieg der Energiepreise oder höhere Kreditzinsen, kann dann das Kartenhaus zum Einsturz bringen. „Bei Trennung und Scheidung platzt die Blase sehr schnell“, sagt Schmiegel. Bei älteren Leuten käme es oft vor, dass sie die Finanzierung krankheitsbedingt nicht mehr aufrechterhalten können.

Auch typisch für die ländliche Region: Hier, wo der Besitz eines Pkw nötig ist, um die Arbeitsstelle zu erreichen, führt auch die Kfz-Finanzierung oft in die Verschuldung. „Irgendwann ist diese Lotterie einfach verloren.“

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